Brasilien: Armee soll Favelas "befrieden"

Wenige Monate vor Beginn der Fußball WM in Brasilien ist die Regierung besorgt über die Sicherheitslage in den Favelas. Nachdem es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Angriffen auf Einheiten der Militärpolizei gekommen ist, soll jetzt die brasilianische Armee in einige Armenviertel von Rio de Janeiro geschickt werden.

Mittagsjournal, 26.3.2014

Aus Rio de Janeiro

"Befriedungen" durch Militärpolizei

120 Mann einer Elite-Einheit der Militärpolizei marschierten vergangenen Freitag in die Favela Maré ein. Sie gilt noch nicht als "pazifiziert". Bis vor kurzem liefen hier noch Jugendliche mit Schusswaffen herum und Drogen wurden offen in der Einkaufsstraße feilgeboten. Die Militärpolizei soll die Maré besetzt halten, bis die Armee eintrifft, erklärt Sergio Cabral, Gouverneur von Rio de Janeiro. Die Favela Maré liegt in einer strategisch wichtigen Zone. Zwei der wichtigsten Hauptverkehrsadern führen hier vorbei. Und vor allem: die Zufahrtsstraße zum Flughafen.

Kurz vor der WM wird die Regierung nervös: Seit Jahresbeginn wurden bereits elf Polizisten der sogenannten "Befriedungspolizei" getötet. Diese spezielle Polizeieinheit übernimmt für gewöhnlich die Kontrolle, nachdem die Drogenkommandos aus einer Favela vertrieben wurden. Die nicht pazifizierte Favela Maré gilt nach wie vor als Hochburg der Drogenkartelle. Hierher flüchteten viele Banditen, als ihre eigenen Favelas pazifiziert wurden, sprich: von der Militärpolizei übernommen. Mario Pires Simao arbeitet bei einer lokalen NGO in Maré. Er hält es für bedenklich, das Militär gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Außerdem provoziere das erst recht Racheakte durch die Drogenkartelle.

Umstrittene Politik

Schauplatzwechsel in die Favela Complexo do Alemao - etwa fünf Kilometer westlich von Maré. Auch hierher schickte der Gouverneur von Rio de Janeiro kürzlich eine Spezialeinheit der Militärpolizei. Zwar gilt der Complexo do Alemao seit 2010 offiziell als pazifiziert. Doch gerade hier kam es in jüngster Vergangenheit häufig zu Angriffen auf die Befriedungspolizei.

Die Polizei habe nicht nur die Drogengangs gegen sich, sondern auch Teile der lokalen Bevölkerung, erklärt Favela-Bewohner Thaina de Medeiros. Die Politik der Pazifizierung ist umstritten. Manche Bewohner sind froh, dass die bewaffneten Drogengangs von den Straßen verschwunden sind. Andere klagen über Schikanen durch die Befriedungspolizei. Sogar von schweren Menschenrechtsverletzungen ist die Rede. Innerhalb einer Woche hätten Befriedungspolizisten zwei Bewohnern absichtlich in die Füße geschossen, darunter einem elfjährigem Buben, erzählt Thaina. "Wie solle man da die Polizei als Freund betrachten?"

Für Besucher der Fußball-WM wiederum bestehe kein Grund zur Besorgnis, betont der brasilianische Justizminister Jose Eduardo Cardozo: Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet. Die Armee werde auf jeden Fall bis nach der Fußball WM in den Armenvierteln bleiben, so der Justizminister. Das Finale wird am 13. Juli in Rio de Janeiro ausgetragen.