Funk: "Schwere Missstände" im Vollzug
Der nun bekannt gewordene Fall eines 74-jährigen völlig verwahrlosten Häftlings in der Justizanstalt Stein ist Anlass für grundsätzliche Kritik am österreichischen Umgang mit "geistig abnormen" Rechtsbrechern. Auf diesem Gebiet bestünden eine Reihe von schweren Missständen, betont der Verfassungsjurist Bernd Christian Funk im Ö1-Mittagsjournalgespräch.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.5.2014
Verfassungsjurist Bernd Christian Funk im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen
Häftlinge als Pflegefall
Verfassungsjurist Bernd Christian Funk hat in seinem letzten Buch den Maßnahmenvollzug in Österreich unter die Lupe genommen. Seine Kritik: im Gefängnis sitzen Leute, die dort nicht hingehören. Im vorliegenden Fall müsse es schwere Versäumnisse und Fehlleistungen gegeben haben. Dass Häftlinge zu Pflegefällen werden, sei ein "elementares Problem des Maßnahmenvollzuges", der eigentlich eine besondere Form der Betreuung von kranken Menschen sein sollte, so Funk. Das Gefängnis sei dafür denkbar schlecht geeignet, die Sache gehörte in den Bereich des Gesundheitswesens überwiesen.
Problematische Gutachten
Dass Straftäter zunehmend als psychisch krank begutachtet werden, hängt nach Ansicht von Funk mit einer "Gutachterpraxis zusammen, die in dem Punkt nicht differenziert genug ist" und auch nicht dem Stand der Wissenschaften entspreche. Zudem würden sich manche Gutachter nicht wirklich mit der betroffenen Persönlichkeit auseinandersetzen und nur der Form halber ein Gutachten erstellen.
Außerdem sei die Schwelle der Strafdrohung in Österreich verhältnismäßig niedrig, so Funk: "Es genügt ein Jahr Freiheitsstrafe, und schon ist es möglich, in den Maßnahmenvollzug hinein zu kommen." Schon Delikte wie stärkere gefährliche Drohungen könnten zum Maßnahmenvollzug führen.
Buchtipp
Katharina Rueprecht, Bernd-Christian Funk: "Staatsgewalt: Die Schattenseiten des Rechtsstaats", Molden-Verlag, ISBN-10: 3854853092
ISBN-13: 978-3854853091