Pelinka zu Schuldenstreit: "Chance für Europa"
Eine Chance für Europa sieht Politikwissenschafter Anton Pelinka in den Bemühungen der Europäischen Union um eine Lösung in der Griechenland-Krise. Anders beurteilt er den Umgang mit den Flüchtlingen: Das sei vor allem eine Schande der europäischen Regierungen, die gemeinsame Lösungen blockieren, so Pelinka in der Ö1-Sendereihe "Im Journal zu Gast". Aber auch in Österreich herrsche politisches Versagen im Umgang mit Flüchtlingen.
8. April 2017, 21:58
ORF
Mittagsjournal, 11.7.2015
Politikwissenschaftler Anton Pelinka im Gespräch mit Peter Daser
"Rechts und Links eint Feindbild EU"
Dass sowohl Parteien vom rechten Rand als auch extreme Linken das Referendum in Griechenland positiv bewerten, sieht Pelinka nicht als Widerspruch. "Es gibt ein verbindendes Feindbild - die Europäische Union in ihrer realen Verfassung als eine Demokratie mit marktwirtschaftlicher Ordnung", so Pelinka. Seit Beginn der Union als Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) habe es diese Opposition von ganz rechts und auch ganz links gegeben. Auch ein Anti-Amerikanismus verbinde beide Lager.
Im Jänner dieses Jahres habe Marine Le Pen vom Front National dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und seiner Syriza-Partei zum Wahlsieg gratuliert. "Das war eine politische Sympathieerklärung von ganz rechts außen an ganz links außen, weil das die EU als Bedrohung sehen muss", betonte Pelinka.
"Deutschland als Sündenbock"
Die EU ist nach Ansicht von Pelinka nicht von den extremen politischen Strömungen bedroht. "Was sie erreichen ist, dass die EU ihr Potenzial, das weitgehend ungenützt ist, nicht voll zur Entwicklung bringt", so Pelinka.
Deutschland werde im Schuldenstreit mit Griechenland als Sündenbock vorgeschoben. "Das ist die Flucht aus der Komplexität und leider ist die EU nicht so geordnet, wie es wünschenswert wäre", betonte Pelinka. Dass eben nicht auf Angela Merkel oder Francois Hollande geschaut werde, sondern primär auf den Kommissionspräsidenten (Jean-Claude Juncker). Der spiele im Hintergrund ohnehin eine ganz wichtige Rolle, das werde aber nicht so wahrgenommen.
"Griechen brachten EU zusammen"
Die Debatte über Griechenland sieht Pelinka nicht mehr als Zerreißprobe für die EU. "Die Griechen haben eigentlich die EU und die Euro-Zone nicht gespalten, sondern durch ihr Verhalten eher zusammengebracht", sagte Pelinka. In dem Zusammenhang könne eine Krise auch als Chance gesehen werden.
"Österreich versagt in Flüchtlingspolitik"
Beim Thema Flüchtlinge wäre die Logik, dass unter Wahrung der völkerrechtlichen Verpflichtungen hier eine europäische Lösung gefunden wird, kritisiert Pelinka. Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Juncker sei eine "sinnvolle und gerechte Antwort" - nämlich eine Verteilung der Betreuungspflicht auf die einzelnen Mitgliedsstaaten, gemessen an ihrer Größe und an ihrem Wohlstand.
"Die Schande für Europa ist genaugenommen nicht die EU, sondern die Mitgliedsstaaten, die sich hinter vermeintlichen nationalen Privilegien verschanzen", betonte Pelinka.
Auch ein Versagen Österreichs ortet Pelinka, da es aus innenpolitischen Ängsten nicht in der Lage ist, einige Hundert Flüchtlinge selbst zu betreuen. "Wir haben uns in Österreich einen Wohlstand erarbeitet, der das Land offenkundig unsolidarisch gemacht hat", so Pelinka.
"Debatte nicht so führen, als ginge es um Mülldeponie"
Er erwarte von der Politik in der Flüchtlingsfrage keine perfekte Lösungen, aber eine aktive Diskussion, so Pelinka. "Einen Dialog führen und nicht Menschen, die ein Recht auf eine bestimmte Handlung haben, nur als Last sehen und die Debatte so führen, als ginge es um eine Mülldeponie", forderte Pelinka.