Primärversorgungszentren: Tempo steigt

Die Gesundheitsreform geht nur schleppend voran. Einen Grund dafür sehen Kritiker darin, dass es noch immer keine gesetzliche Grundlage für die Primärversorgungszentren gibt. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) nennt nun die Eckpunkte für ihren Gesetzesentwurf, die dem Ö1-Morgenjournal exklusiv vorliegen.

Frau mit verschränkten Armen

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ)

APA/ROLAND SCHLAGER

Niedergelassene Ärzte sollen künftig mit Therapeuten und Pflegefachkräften in ganztags geöffneten Versorgungszentren zusammenarbeiten und damit die Patientenströme von den teuren Spitalsambulanzen umlenken.

Morgenjournal, 20.8.2015

Umfassende Betreuung

Primärversorgungszentrum - ein sperriges Wort, aber nichts weniger als Grundpfeiler der Gesundheitsreform. Doch bis jetzt gibt es erst eines in ganz Österreich. Es steht in Wien und läuft derzeit noch im Teilbetrieb. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser von der SPÖ will nun mit einer gesetzlichen Grundlage die Umsetzung vorantreiben: mit einer klaren Regelung sollte Klarheit geschaffen werden, um das Interesse der Ärzte zu wecken.

Die Idee dahinter: mehrere niedergelassene Ärzte schließen sich mit Pflegekräften, Therapeuten und zum Beispiel auch Sozialarbeitern zusammen und bieten eine umfassendere Betreuung an, als es zum Beispiel in einer Gruppenpraxis der Fall ist: von der ärztlichen Behandlung über Ernährungsberatung psychologischer Betreuung oder Physiotherapie bis hin zur Organisation einer Pflege nach einer Krankenhausentlassung. Durch lange Öffnungszeiten und die Nähe zum Wohnort soll es für Patienten attraktiver sein, sich dort statt in teuren Spitalsambulanzen behandeln zu lassen. Und für Ärztinnen und Ärzte soll die Zusammenarbeit die Möglichkeit bieten, zum Beispiel auch in Teilzeit zu arbeiten oder vor allem am Land nicht rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen.

Im Gesetz soll nun der rechtliche Rahmen festgelegt werden: Voraussetzung für ein neues Primärversorgungszentrum soll ein sogenanntes multiprofessionelles Kernteam sein, sagt Sabine Oberhauser: ein Allgemeinmediziner, eine Ordinationshilfe, ein diplomierter Gesundheits- und Krankenpflegeberuf.

Das Team muss ein genaues Konzept vorlegen, die Sozialversicherung entscheidet dann in einem Ausschreibungsverfahren, welche Bewerber den Kassenvertrag bekommen. Wobei das Primärversorgungszentrum rechtlich als eine juristische Person auftritt, es muss also zum Beispiel als GmbH oder Verein gegründet werden.

Verhandlungen mit Ärzten, ÖVP

Heikelster Punkt dürfte sein, dass die Sozialversicherung die genauen Leistungen und deren Honorierung in Einzelverträgen mit den jeweiligen Primärversorgungszentren festlegen soll. Die Ärztekammer hat solche Einzelverträge bis jetzt als nicht hinnehmbar abgelehnt, weil sie damit in die Gestaltung der Verträge nicht eingebunden wäre. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser erwartet daher auch, dass die Verhandlungen mit der Ärztekammer über den Gesetzesentwurf nicht einfach werden, zeigt sich aber optimistisch.

Zusätzliche Kassenstellen soll es nu zur Beginn der Umsetzung geben. Langfristig sollen möglichst viele Kassenverträge von niedergelassenen Ärzten durch Primärversorgungszentren ersetzt werden, freilich auf freiwilliger Basis, wie die Gesundheitsministerin betont.

Der detaillierte Gesetzesentwurf soll in 2 bis 3 Wochen fertig sein, dann beginnen die konkreten Verhandlungen mit der Ärztekammer, der Sozialversicherung, den Ländern und dem Koalitionspartner ÖVP, mit dem der Entwurf noch nicht akkordiert ist. Oberhauser hofft, dass das Gesetz noch heuer im Parlament beschlossen wird.

Mit Ende 2016 soll ein Prozent der Bevölkerung über Primärversorgungszentren behandelt werden, so das Ziel der Gesundheitsministerin.