"Samir, genannt Sam" von Mano Bouzamour

Am 19. Oktober beginnt die Frankfurter Buchmesse; Ehrengast sind Flandern und die Niederlande, die vor allem jungen Autorinnen und Autoren ein Forum bieten wollen. Ganz vorne mit dabei ist Mano Bouzamour, ein junger Niederländer mit marokkanischen Wurzeln.

Bouzamour war 22, als 2013 in Amsterdam sein Debütroman erschien und von der niederländischen Literaturkritik gefeiert wurde - eine Coming-of-Age-Geschichte, die von Ausgrenzung und Vorurteilen erzählt, von einem nicht gewaltfreien Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Die heuer erschienene deutsche Übersetzung des Romans, "Samir, genannt Sam", präsentiert der Autor am Donnerstag im Grazer Literaturhaus.

Junger Mann mit Dreitagesbart

ORF/Kristina Pfoser

Morgenjournal, 3.10.2016

Das Schlüsselerlebnis

Wir sind an der Amsterdamer Prinsengracht verabredet, im Anne-Frank-Haus. An diesem Ort hatte Mano Bouzamour als Elfjähriger ein Schlüsselerlebnis, als ihn sein Bruder hierher gebracht hatte, erzählt er und dämpft vor dem Eingang zu dem Versteck ehrfürchtig seine Stimme. "Sie war ein Kind, wie ich, und sie schrieb, wie ich, und sie wohnte in der gleichen Straße. Sie war nicht anders als ich, außer, dass sie vor siebzig Jahren lebte."

Mano Bouzamour hat damals auch das "Tagebuch der Anne Frank" gelesen - und in der Geschichte des jüdischen Mädchens so etwas wie einen Wegweiser gefunden. "Literatur hat mir geholfen, mir über meine eigene Identität klar zu werden. Ich fragte mich, warum bin ich ein Moslem? Ja, ich wurde als Moslem geboren, aber ich habe mir das nicht ausgesucht."

Marokkanische Community von Amsterdam

Anne Frank ist jedenfalls eine bemerkenswerte Identifikationsfigur für einen Sohn marokkanischer Einwanderer, der in einem Migrantenviertel von Amsterdam aufgewachsen ist, geprägt vom arabischen Antisemitismus, wie Mano Bouzamour sagt. "In meinem Umfeld war es normal, Juden zu hassen, das gehörte zur Grundausstattung."

Wie Mano Bouzamour wächst auch "Samir, genannt Sam" in der marokkanischen Community von Amsterdam auf. Auch er hat es in ein Elitegymnasium geschafft, und bevor sein Bruder nach einem Überfall in den Knast geht, verspricht er ihm noch, die Matura zu machen. Wir begleiten Samir auf seinem mehr als turbulenten Weg dahin - zwischen Mädchen, Musik und Moschee hat auch Anne Frank als Holocaust-Überlebende einen Auftritt.

Lob der Kritik, Zorn der Gemeinde

Es ist eine Coming of Age-Geschichte, die von Ausgrenzung und Vorurteilen erzählt, von einem nicht gewaltfreien Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Impulsiv und flapsig, rasant und unverblümt kommt dieser Roman daher und sein Autor - sehr selbstbewusst: "Ich habe ein Buch geschrieben, das es noch nicht gab, diese Geschichte wurde noch nicht erzählt. Ich schreibe wirklich unverwechselbar. Gute Literatur ist unverwechselbar und universell. Und bei mir geht auch um Universelles: um Liebe, Freundschaft, soziale Differenzen und Klassenunterschiede - das sind Themen, die in der ganzen Welt relevant sind."

Von der Kritik gefeiert, waren die Reaktionen im direkten Umfeld von Mano Bouzamour alles andere als positiv. "Die marokkanisch-muslimische Gemeinschaft war sehr zornig. Mein Hauptcharakter zweifelt nämlich an Gott, so wie ich, und das darf man nicht. Mein Nachbar hat mich beschimpft und auf meine Schuhe gespuckt und er hat mich geschlagen und ich hab zurückgeschlagen. Das war vor drei Jahren. Ich war damals 22. Es war eine schwere Zeit."

"Samir, genannt Sam" - das Buch ist in den Niederlanden mittlerweile in der siebenten Auflage, die Bühnen- und Filmrechte sind schon verkauft und Mano Bouzamour schreibt an seinem zweiten Roman.

Service

Mano Bouzamour, "Samir, genannt Sam", Roman, aus dem Niederländischen übersetzt von Bettina Bach, Residenz Verlag
Originaltitel: "De Belofte van Pisa"

Literaturhaus Graz - Neue Literatur aus Flandern & den Niederlanden: Mano Bouzamour & Fikry El Azzouzi

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