Michel Houellebecq

BORIS ROESSLER / dpa / AFP

Buchmesse

Frankfurter Monolog von Michel Houellebecq

Jedes seiner Bücher löst einen Skandal oder zumindest eine Polemik aus - Michel Houellebecq gilt als das Enfant terrible der französischen Literatur. Gestern Abend war im Schauspiel Frankfurt eine Lesung aus "Unterwerfung" angekündigt, es kam aber ganz anders.

Mittagsjournal | 12 10 2017

Kristina Pfoser

Mit Romanen wie "Elementarteilchen" und zuletzt "Unterwerfung" hat Michel Houellebecq weltweit Berühmtheit erlangt. Für die einen ist er ein Zyniker, Reaktionär und Misanthrop, für die anderen ein brillanter Chronist der westlichen Gesellschaft und - wie die "New York Times" meint, "die größte literarische Sensation Frankreichs". Und so durfte der 61-jährige sehr zurückgezogen lebende Houellebecq nicht fehlen, wenn sich Frankreich als Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse präsentiert.

Er ist bei weitem nicht so verwahrlost, wie er auf den letzten Fotos zu sehen war. Das bemerkte man gleich, nachdem er sich aus seinem Parka geschält hatte - die Haare frisch geschnitten, Jeanshemd, die bekannte Schlabberhose. Zwischen zwei Moderatorinnen und seiner Übersetzerin nahm Michel Houellebecq auf der Bühne Platz und begann einen einstündigen Monolog.

Frankreich wird zum "Nationalstolz" zurückfinden

"Seit einigen Monaten, seit der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten, hat man den Eindruck, dass die Franzosen wieder etwas zufriedener geworden sind, und dass das gebeutelte Frankreich wieder zum 'Nationalstolz' zurückfindet. Wir werden wieder das 'arrogante' Volk von früher. Frankreich wird wieder zur 'Grande Nation' werden."

Hinter Michel Houellebecq: als Bühnenbild riesengroß der Buchumschlag seines jüngsten Romans "Unterwerfung". Wochenlang hatte seine politische Fiktion einer Islamisierung des Westens die Mediendiskussionen beherrscht. Davon war gestern keine Rede. Michel Houellebecq hat sich schon immer gern Erwartungen entzogen, ebenso wie einer literarischen, gesellschaftlichen oder politischen Einordnung. Im ausverkauften Schauspiel Frankfurt inszenierte er sich jedenfalls als liberaler Europäer.

Michel Houellebecq

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Michel Houellebecq im Schauspiel Frankfurt

Vorbild Mittelalter

"Ich freue mich sehr über unseren Gastauftritt in Frankfurt. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass es um die europäische Kultur derzeit schlecht bestellt ist. Wenn wir zurückschauen: Im Mittelalter gab es die lateinische Sprache und mit diesem Latein gab es einen Austausch zwischen allen Universitäten - das war eine wahre europäische Kultur."

Was abschnittsweise wie ein Echo von Emmanuel Macrons Buchmessen-Eröffnungsrede klang, wurde mehr und mehr zu einem Räsonieren über Kulturförderung und Quote, Filmschaffen, Musikproduktion und Literatur im Allgemeinen und den französischen Roman im Besonderen.

Für die Deutschen hatte Michel Houellebecq eine Empfehlung parat: "Vielleicht sollten sich die Deutschen mit dem erotischen Roman beschäftigen. Wenn ich mir YouPorn anschaue, stelle ich fest, dass es ganz viele deutsche Produktionen gibt, Blowjobs und so weiter - alles aus der deutschen Ecke. Das klingt für Sie vielleicht nicht einleuchtend, aber der Magische Realismus in Südamerika und die Kriminalliteratur aus Skandinavien - das war ja auch nicht gerade naheliegend."

"Sehen Sie es als Kompliment"

Und weiter gings mit allgemeinen Betrachtungen vor allem über die Romankunst im Lauf der Jahrhunderte, immer wieder mit den Zusatz versehen: "Ich kenn mich da aber nicht so gut aus." Nach einer Stunde dann eine erste vorsichtige Wortmeldung der Moderatorin, FAZ-Literaturredakteurin Julia Encke: "Als Michel Houellebecq die Einladung angenommen hat, hieß es, er wolle nur ganz kurz auf die Bühne und auch gar nicht viel sagen. Das tolle an Michel Houellebecq ist, dass man nie genau weiß, was passieren wird. Sie müssen es unbedingt als Kompliment sehen, dass er eine Stunde für Sie und zu Ihnen gesprochen hat."

"Unterwerfung" - Michel Houellebecqs Roman wird derzeit jedenfalls verfilmt wird und 2018 im Fernsehen zu sehen sein.

Service

Michel Houellebecq, "Unterwerfung", Roman, aus dem Französischen von Norma Cassau und Bernd Wilczek, Dumont. Originaltitel: "Soumission" (Flammarion)
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