Norbert Gstrein

OLIVER WOLF

Buch Wien

Buchpreis an Norbert Gstrein

Zum Auftakt der Buch Wien wurde der beste österreichische Roman des Jahres gekürt - aus insgesamt 140 eingereichten Titeln. Der mit 20.000 Euro dotierten Österreichischen Buchpreis geht an Norbert Gstrein für sein Werk "Als ich jung war", das im September Ö1 Buch des Monats war. Der Debütpreis ging an Angela Lehner für den Titel "Vater unser".

Morgenjournal | 05 11 2019

Kristina Pfoser

Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert, die vier weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro. Für die Shortlist nominiert waren außerdem: Raphaela Edelbauer: "Das flüssige Land", Karl-Markus Gauß: "Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer", Sophie Reyer: "Mutter brennt" und Clemens J. Setz: "Der Trost runder Dinge".

Aus der Jurybegründung:

"Norbert Gstreins Roman erinnert an das Gedicht 'Zwielicht' von Joseph von Eichendorff: Die Dämmerung bricht an, etwas Numinoses legt sich über das Land. Selbst dem Freund ist nicht zu trauen in dieser Stunde der verlorenen Sicherheiten. Norbert Gstrein ist ein Meister des 'zwielichtigen' Erzählens. Protagonist seines Romans ist ein Wirtssohn, der einige Jahre als Schilehrer in den USA gearbeitet hat, um dann nach Österreich zurückzukehren. Franz erzählt uns seine Geschichte, aber je mehr Details er vorbringt, umso unsicherer wird der Leser. (…) Am Ende hält der Leser viele Fäden in der Hand. Ob einer davon der rote ist - wer weiß?"

Ex libris | 25 08 2019 | Rezension von Carsten Otte

Der 1961 in Mils bei Imst in Tirol geborene und heute in Hamburg lebende Schriftsteller Norbert Gstrein gilt als eleganter und anspruchsvoller Stilist. In seinem neuen Roman wird von einem Missbrauch erzählt und der Frage, wie dieses "Thema" in Literatur überführt werden kann.

Am Anfang schaut der Ich-Erzähler Franz auf seine Jugend zurück "Als ich jung war", heißt es in Gstreins neuem Roman, "glaubte ich an fast alles, und später an fast gar nichts mehr, und irgendwann in dieser Zeit dürfte mir der Glaube, dürfte mir das Glauben abhandengekommen sein." Dass dem jugendlichen Franz nicht nur der katholische Glauben, sondern das Glauben an jedwede Institution fremd wurde, hat maßgeblich mit den familiären Verhältnissen zu tun, in denen der Sohn eines Hotelbesitzers aufwächst.

Auf schmalem Grat

Als sich ein Unglück ereignet, ist Franz längst zu Hause ausgezogen, studiert mal Medizin, dann etwas lustlos Anglistik und Germanistik, übernimmt zur Abwechselung sogar noch mal den verhassten Job des Hochzeitsfotografen im elterlichen Hotel. So fotografiert er also die Braut, die später mit gebrochenem Genick unterhalb eines Felsvorsprungs liegt, und die Polizei sucht auf den Bildern nach Hinweisen auf den Tathergang. Zwar deutet viel auf einen Suizid hin, aber auch weil die Frau so gar nicht lebensmüde wirkt, als sie in die Kamera schaut, wird Franz verdächtigt, mit ihrem Tod etwas zu tun zu haben.

Dieser flüchtet nach Wyoming, in einen luxuriösen Ferienort namens Jackson. Dort schlägt er sich als Skilehrer durch und lernt einen tschechischen Raketenphysiker und Professor kennen. Es entsteht eine seltsame und etwas einseitige Freundschaft, die allerdings zentral wird für den weiteren Verlauf des Romans. Norbert Gstrein spiegelt sehr geschickt die Episoden in den USA an und mit den Figuren und Ereignissen in der österreichischen Heimat des Ich-Erzählers. So erscheinen die Vorgänge in Tirol zwar nicht unbedingt in einem anderen Licht, doch das Geschehen in der Ferne wirft erneut die Frage nach den vermeintlich eindeutigen Kausalitäten auf.

Der Verneblungskünstler

Norbert Gstrein ist ein großer Verneblungskünstler, und erst zum Romanende wird deutlich, dass die moralische und - nebenbei bemerkt - über jeden Zweifel erhabene Position des Schriftstellers sich in der literarischen Konstruktion verbirgt. "Als ich jung war" ist eine Art Rechenschaftsbericht, vielleicht sogar ein Bußgang des Ich-Erzählers, der seine Schuld offenlegen, der aber auch Schluss machen will mit dem quälenden Selbstmitleid und der sich letzten Endes nach Vergebung sehnt.

Wie auch in seinen vergangenen Romanen formt Gstrein schönste und grausamste Satzschlangen, in denen Doppelbödigkeiten und Widersprüche gekonnt eingebaut werden. Gerade weil die mediale Welt von Freund-Feind-Mustern geprägt ist, beschwört Gstrein die Kraft jener Literatur, die sich gegen allzu eilige Schlüsse wehrt.

Service

Norbert Gstrein, "Als ich jung war", Roman, Carl Hanser Verlag

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