Zwischenruf

von Superintendent Paul Weiland (St. Pölten)

An diesem Sonntag, an dem in wenigen Minuten in Kärnten und in Niederösterreich die Wahllokale öffnen und Menschen in diesen beiden Bundesländern eingeladen sind, den Weg der nächsten Jahre mitzubestimmen, werde ich keinen Zwischenruf machen zum Wahlkampf, werde ich natürlich keine Wahlempfehlung geben oder mich in Vermutungen oder Hoffnungen über den Ausgang der Wahl verlieren. Nur so viel: Nehmen Sie Ihr Wahlrecht in Anspruch, gehen Sie zur Wahl, entscheiden Sie mit.

Ich möchte heute trotzdem über Wahlen reden. Über Wahlen in der Bibel. Die gibt es in sehr vielfältigen Formen. Da ist zum Beispiel die Geschichte des Mose, dem sein Schwiegervater behilflich ist bei der Führung und Verwaltung des Volkes. Die Bibelstelle im 2. Buch Mose, Kapitel 18, ist zugleich ein ganz uralter Beleg, dass auch Unternehmensberatung und Organisationsentwicklung nicht so ganz neu sind. Da der Schwiegervater beobachtet, dass Moses selbst versucht, alle Aufgaben zu bewältigen, sagt er zu ihm: "Es ist nicht gut, wie du das tust. Du machst dich zu müde, dazu auch das Volk, das mit dir ist. Das Geschäft ist dir zu schwer; du kannst es allein nicht ausrichten. Sieh dich aber unter dem ganzen Volk um nach redlichen Leuten, die Gott fürchten, wahrhaftig sind und dem ungerechten Gewinn Feind. Die setze über sie als Oberste über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn, dass sie das Volk allezeit richten." Die Wahl ist hier von Inhalten bestimmt. Kriterien sind: Redlichkeit, Gottesfurcht, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit.

In biblischen Zeiten wurden Wahlen immer wieder auch per Los entschieden. Das galt nicht als Zufallsentscheidung, sondern als göttliche Willenskundgebung. Im 1. Buch Samuel, Kapitel 10, wird von der Wahl des 1. Königs berichtet. Der Prophet Samuel lässt alle Israeliten antreten und per Losentscheid wird schließlich Saul aus dem Stamm Benjamin zum König gewählt. Als die Wahl zu Ende war, heißt es: "Da jauchzte das ganze Volk und sprach: Es lebe der König". Aber so ganz einstimmig war der Jubel auch damals nicht. Wenige Verse später ist zu lesen: "Aber einige ruchlose Leute sprachen: Was soll der uns helfen? Und sie verachteten ihn und brachten ihm kein Geschenk."

Und auch die Nachwahl des 12. Apostels, von dem die Apostelgeschichte im 1. Kapitel berichtet, wird per Los durchgeführt. Sie war notwendig, weil nach dem Tod des Judas ein Apostel fehlte. Wörtlich wird die Wahl beschrieben: "Und sie stellten zwei auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias, und beteten und sprachen: Herr, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählt hast von diesen beiden, damit er diesen Dienst und das Apostelamt empfange, das Judas verlassen hat, um an den Ort zu gehen, wohin er gehört. Und sie warfen das Los über sie und das Los fiel auf Matthias; und er wurde zugeordnet zu den elf Aposteln."

Eine andere Wahl ist die der sieben Armenpfleger im 6. Kapitel der Apostelgeschichte. In den jungen wachsenden christlichen Gemeinden wurde es notwendig, die Aufgaben zu verteilen. Damit neben der Verkündigung und dem Gebet die diakonische Verantwortung nicht übersehen wird, wählte die Gemeindeversammlung die sogenannten Armenpfleger. Nach welcher Methode, das schreibt die Bibel nicht, aber die Kriterien erfährt man: "Darum seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst."

Von einer Wahl der ganz anderen Art berichtet die Bibel in der Leidensgeschichte von Jesus im Matthäusevangelium. Nach einem alten Brauch in Jerusalem hatte das Volk die Möglichkeit, die Freilassung eines Gefangenen erwirken. Zur Wahl standen der Schwerverbrecher Barabbas und Jesus. Das Matthäusevangelium berichtet von dieser Wahl so: "Aber die Hohepriester und Ältesten überredeten das Volk, dass sie um Barabbas bitten, Jesus aber umbringen sollten. Da fing der Statthalter an und sprach zu ihnen: Welchen wollt ihr? Wen von den beiden soll ich euch losgeben? Sie sprachen: Barabbas!"

Sozusagen die Urwahl in der Bibel ist aber, dass Gott vor allen unseren Wahlen selbst eine ganz wichtige Wahl getroffen hat, nämlich die Entscheidung für uns Menschen: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt", heißt es im Johannesevangelium. Und was mir noch auffällt in der Bibel: Gottes Wahl fällt häufig auf Arme, am Rande stehende Menschen, auf Menschen, die sich für Gerechtigkeit, das Miteinander und den Frieden einsetzen.

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