Im Gespräch

"Auch im Internet gibt es keine Umsonstkultur". Wolfgang Ritschl spricht mit Tim Renner, Musikproduzent, Journalist und Autor

2001 avancierte Tim Renner zum Chef von Universal Music Deutschland und war ein mächtiger Mann. Allerdings nicht lange, denn die digitale Revolution des MP3 Formats und der Erfolg illegaler Tauschbörsen wie Kazaa und Napster ließen weltweit die Verkaufszahlen von Tonträgern in den Keller rasseln, Entlassungswellen waren in der erfolgsverwöhnten Musikbranche die Folge. 2004 dankte Tim Renner als Universal-Boss ab und schrieb mit "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm" ein Buch über seine Sicht auf die Zukunft der Medienindustrie, das viel Staub aufwirbelte. Untypisch für einen Vertreter der "Content-Mafia" präsentierte er sich darin als aufgeschlossener Digitalphilosoph, der Veränderungen begrüßte. Und anders als andere ehemalige Musikkonzern-Leiter blieb er der Musikproduktion erhalten. Mit seiner Firmengruppe Motor Entertainment, zu der auch ein Radiosender zählt, experimentiert er heute in kleinerem Maßstab mit neuen Geschäftsmodellen.

2011 erklärte der mittlerweile auch als Professor an der Popakademie Baden-Württemberg tätige Tim Renner in dem gemeinsam mit seinem Bruder Kai-Hinrich Renner verfassten Buch "Digital ist besser", dass weder das Abendland noch die Musikindustrie durch Raubkopierer im Internet untergehen werden. Denn die oft beklagte Umsonstkultur ist für Tim Renner nur eine Schimäre: "Bezahlt wird für Service und Inhalte im Netz immer. Entweder im Rahmen von Flatrates, mit Geld für Zusatzsoftware für schnellere Zugänge oder eben mit Zeit oder persönlichen Daten".

Im Gespräch mit Wolfgang Ritschl vergleicht Tim Renner die heutige Musikindustrie mit der katholischen Kirche zur Zeit der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert: Damals wollte die katholische Kirche die Deutungshoheit der Bibel in lateinischer Sprache unbedingt behalten. Heute versuche die Musikindustrie, über technische Neuerungen die Kontrolle weiter auszuüben: "Luther war für die Kirche das, was MP3 und Internet für die Musikindustrie heute sind."

Service

Tim Renner, Sarah Wächter: Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten. Berlin Verlag, ab 15. Oktober 2013

Tim Renner, Karl-Hinrich Renner: Digital ist besser. Warum das Abendland auch durch das Internet nicht untergehen wird. Campus Verlag 2011

Tim Renner: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Campus Verlag 2004

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