Pussy Riot: Bumerang für Kirche
Die Internationale Kritik an dem Prozess gegen die Band Pussy Riot in Russland wird immer lauter - bereits kommende Woche könnte es in dem Fall, in dem drei jungen Frauen die Verspottung der Religion vorgeworfen wird ein Urteil geben. Für die russische-orthodoxe Kirche wird der Fall aber zu einem immer größeren Image-Problem.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 4.8.2012
"Ein Anhängsel des Staates"
Er ist eine der beliebtesten Personen des öffentlichen Lebens in Russland: Kirill, Patriarch von Moskau und Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Noch. Denn in den letzten Monaten hat sein Image deutliche Kratzer bekommen. Medienberichte über seinen persönlichen Lebensstil, der nicht unbedingt seinem Mönchsgelübe entspricht sind ein Grund dafür. Noch mehr schadet ihm und der ganzen Kirche aber der Fall Pussy Riot. Denn er zeigt was die russisch-orthodoxe Kirche ist: "Ein Anhängsel des Staates", erklärt der Religionswissenschaftler und Soziologe Alexej Murawiew von der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Die ganze Institution Kirche ist defekt. Das zeigt sich an der fehlenden Unabhängigkeit der Kirche vom Staat. An der Gewohnheit Angelegenheiten der Kirche mit Hilfe des Staates zu lösen und daran dass die Kirche im Bereich der Moral keine besonders große Autorität hat."
Moralische Erneuerung?
Nach dem Zerfall der Sowjetunion, in der die Kirche nur unter strenger Aufsicht des Staates existierte, gelang es dem früheren Patriarchen Alexei dem Zweiten, sich in der Öffentlichkeit als moralische Instanz zu positionieren. Die Kirche hatte großen Zulauf, mehr als 70 Prozent der russischen Bevölkerung sind inzwischen getauft. Gleichzeitig besuchen aber weniger als 5 Prozent regelmäßig die Gottesdienste und sind mit den Regeln der Kirche vertraut. Nach dem Tod Alexeis im Jahr 2009 signalisierte sein Nachfolger Kirill, dass er die Kirche wieder zu einem Grundpfeiler der russischen Gesellschaft machen wolle - und stieß dabei bei Wladimir Putin auf offene Ohren, der die Kirche als Instrument der moralischen Erneuerung Russlands benutzen will. Mehrere tausend Gebäude wurden der Kirche inzwischen rückerstattet, ab Herbst gibt es in den Schulen verpflichtenden Religionsunterricht.
Glaubwürdigkeit beschädigt
Als Gegenleistung erhielt Putin bei den Protesten im Winter Rückendeckung und sogar eine Wahlempfehlung von Patriarch Kirill. Genau gegen diese enge Verbindung von Regime und Kirche richtet sich der Protest von Pussy Riot, deren Mitglieder wegen Herabwürdigung der Religion und Hooliganismus jetzt vor Gericht stehen. "Die Kirche kann in dieser Situation nur verlieren. Wenn sie freigesprochen werden heißt es, die Kirche habe sich nicht bei der Verteidigung des Glaubens engagiert. Wenn sie verurteilt werden heißt es, die Kirche habe den Prozess beeinflusst. Die Folge wird auf jeden Fall sein dass der Anteil derer, die der Religion indifferent gegenüberstehen in der Gesellschaft steigen wird", sagt Alexei Murawiew von der Akademie der Wissenschaften. In den letzten Tagen haben sich führende Vertreter der Kirche dafür ausgesprochen, die Mitglieder von Pussy Riot nicht zu besonders hohen Strafen zu verurteilen. Die Glaubwürdigkeit der Kirchenführung ist durch die Affäre aber nachhaltig beschädigt worden.