Zwischenruf

von Pfarrer Rainer Gottas (Klagenfurt). "Zum Schulbeginn: Es lebe die Faulheit!"

Inzwischen hat überall die Schule begonnen und für rund ein Viertel der Menschen in Österreich das neue Schul- oder Arbeitsjahr. Kollegen erzählen vom Urlaub und über die bevorstehenden Herbstprojekte. "Ach, so schnell mich hat der Alltag wieder", seufzt einer. "Kaum in der Arbeit, ist das Urlaubsgefühl auch schon wieder weg." Angesichts des Kalenders, der sich in Windeseile füllt, und permanent erwarteter Verfügbarkeit wird solidarisch mitgeseufzt, schicksalsergeben genickt.

Was kann man schon dagegen tun? Eine rhetorische Frage . - ich will sie wörtlich nehmen. Es ist doch viel zu schade um die viele Lebenszeit, in der wir offenbar nicht ausreichend genießen, was wir tun, und uns stattdessen nach Urlaub sehnen. Ich hätte gern täglich ein bisschen Urlaub. Ich wäre gerne ein bisschen fauler. Faulheit ist doch eigentlich die Angewohnheit, sich auszuruhen, bevor man müde ist. Vielleicht ist das der Schlüssel zum "Alltags-Urlaubsfeeling".

Ich stürze mich energiegeladen ins Getümmel hinein und tauche erst wieder auf, wenn ich das erste Mal erschöpft bin. Dann denke ich mit Wehmut daran zurück, wie sich die Wellen am Strand überschlagen, an die endlos erscheinende Stille bei der Überquerung des Dachstein, an den Duft der Sonne in den Haaren, an die Urgewalt eines Sommergewitters, die einfach nur staunen lässt . Doch die Erinnerungen helfen mir dann nicht: Ich habe im Hamsterrad vergessen, rechtzeitig Luft zu holen ... . aber Faulheit ist nicht erlaubt. Faulheit hat in einer Leistungsgesellschaft kein gutes Image und ist lästiger Sand im Getriebe. Faulheit stinkt.

Ich will aber faul sein, ein bisschen mehr sagen: "Ohne mich!", "Ich bin dagegen!", "Ich bin dann mal weg!" . Das sind gute Sätze gegen die alltäglichen Zumutungen und die beste Vorbeugung gegen das Ausbrennen. Vielleicht müsste ich nicht wehmütig zurückschauen, wenn ich mir täglich ein bisschen mehr Faulheit gönnte. Es ist ja nicht so, dass der, der faul ist, nichts tut - es sind bloß auf den ersten Blick zweckfreie Tätigkeiten, ein bisschen wie im Urlaub:

- beobachten, was um einen herum geschieht,
- intensiver wahrnehmen,
- lauschen, spüren, genießen,
- ein ausgiebiges Vollbad nehmen,
- einmal ins Narrenkastel schauen,
- vor dem Weiterarbeiten ein kurzes Nickerchen machen .

"Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf", weiß der Psalmbeter (Ps. 127,2).

Die Faulheit kennt einen weiteren Bonus: Im Leerlauf, da, wo freie Zeit, vielleicht sogar ein bisschen Langeweile ist, da kommen die Ideen. Die Faulheit ist also ein Nährboden der Kreativität und des Einfallsreichtums und damit letztlich auch von Bildung.

Beobachten Sie Kinder, die einmal nichts zu tun haben: Zuerst ist ihnen oft ein bisschen langweilig, dann werden sie vielleicht lästig, bald aber begeben sie sich auf die Suche, schauen, überlegen, denken nach, entdecken - und tun . - und gut tut´s ihnen.

Wenn die Schulkinder wieder in die Mühlen des Alltags geraten und nach der Schule zu Klavierstunde, Fußball und Ballett eilen, müssen sie sich oft noch anhören, dass sie faul sind. Vielleicht sind sie nicht faul genug!?!

Wer immer beschäftigt ist, kommt nicht mehr zum Nachdenken. Der kann das Leben nicht mit kritischer Distanz betrachten. Wer sich freie Zeiten nimmt, wird eher überlegt entscheiden und handeln können.

Jesus fährt auf den See und entzieht sich dem Zugriff der Menge: "Ich bin dann mal weg!"

Ich werde ab sofort täglich ein bisschen fauler sein:
- mehr schlafen
- nicht nur schnell die Blumen gießen,
sondern auch genau hinschauen, ob ein neuer Trieb gewachsen ist.
- mich weniger ärgern, wenn ich im Stau stehe,
sondern die Zeit mit Beobachten oder Ausruhen nützen.
- essen, nicht nur um Nahrung aufzunehmen,
sondern um zu schmecken und um teilzuhaben am Leben der anderen.

Und wie könnte ihr tägliches Stück Faulheit aussehen?

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