Zwischenruf

von Ulrich Körtner (Wien)

Reformationsjubiläum 2017: Bewährungsprobe für die Ökumene

Gemeinsam feiern?

Das 500. Jubiläum der Reformation rückt näher. Die protestantischen Kirchen bereiten sich seit Jahren schon weltweit auf das große Ereignis vor und laden auch die anderen Kirchen dazu ein, das Jubiläum ökumenisch zu begehen. So auch in Österreich.
Ob es jedoch tatsächlich zu gemeinsamen Gedenkfeiern der getrennten Kirchen kommt, ist keineswegs gesagt, trotz verschiedener Initiativen auf internationaler Ebene. Nach wie vor besteht nämlich keine Einigkeit, ob es 2017 überhaupt etwas gemeinsam zu feiern gibt, oder ob nur ein gemeinsames Gedenken möglich ist. Soll die reformatorische Neuentdeckung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Menschen allein durch den Glauben und die darin enthaltende Botschaft der Freiheit im Vordergrund stehen - oder die Geschichte der Spaltung der abendländischen Christenheit? Soll die Freude dominieren oder die Klage und das wechselseitige Eingeständnis von Schuld und Versagen?

Kritik am Reformationspapier der EKD

In jüngster Zeit haben die Spannungen zwischen den Kirchen in dieser Frage deutlich zugenommen. Stein des Anstoßes ist ein theologischer Grundlagentext, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im Juni veröffentlicht hat. Kaum war das Dokument mit dem Titel "Rechtfertigung und Freiheit" der Öffentlichkeit vorgestellt worden, hagelte es auch schon Kritik, und zwar aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann von der Universität Göttingen und sein Historikerkollege Heinz Schilling aus Berlin werfen den Autoren vor, nicht auf der Höhe der Reformationsforschung zu stehen, Geschichtsklitterung zu betreiben und den historischen Abstand zwischen dem 16. Jahrhundert und unserer Gegenwart nicht genügend ernstzunehmen. Die Kritiker scheinen offenbar zu übersehen, dass es sich bei dem EKD-Text nicht um ein Handbuch zur Reformationsgeschichte, sondern um den - durchaus respektablen - Versuch handelt, Grundaussagen reformatorischer Theologie Menschen von heute so zu vermitteln, dass sie mit Begriffen wie Rechtfertigung, Sünde, Glaube und Gnade etwas Sinnvolles anfangen können.

Scharfe Kritik kommt aber auch von römisch-katholischer Seite, allen voran von Kardinal Kasper, dem ehemaligen Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Ihn stört, dass das Reformationspapier der EKD die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 mit keiner Silbe erwähnt. Das Dokument sei daher ein ökumenischer Rückschritt. Der Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin, Mitverfasser des EKD-Textes, hat diese Kritik als unbegründet zurückgewiesen. Tatsächlich sagt das Dokument ganz im Sinne der Gemeinsamen Erklärung, die evangelischen Kirchen und die römisch-katholische hätten inzwischen zu einer gemeinsamen Formulierung der Rechtfertigungslehre gefunden. Trotzdem bestehen weiterhin kirchentrennende Differenzen über das Verständnis des Amtes und der Sakramente. Dieser Umstand sollte aber doch kein unüberwindliches Hindernis für gemeinsame Reformationsfeierlichkeiten sein.

Ökumenische Bewährungsprobe

Es hat den Anschein, als ob manche Vertreter der katholischen Theologie und der Amtskirche nach Vorwänden suchen, um sich der Herausforderung eines ökumenischen Reformationsjubiläums nicht länger stellen zu müssen. Sie besteht in der Frage, was die katholische Kirche möglicherweise der Reformation zu verdanken hat und was daher auch für sie 2017 ein Grund zum Feiern sein könnte. Das bevorstehende Jubiläum wird für die Ökumene zusehends zur Bewährungsprobe - übrigens auch für Papst Franziskus, auf den doch die Katholiken auch in ökumenischen Fragen so große Hoffnungen setzen. Als Protestant darf man gespannt sein, ob er diese Bewährungsprobe besteht.

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