Zwischenruf

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

"Willst du den Frieden, bereite den Frieden vor"

Dieses Zitat kennen sie vermutlich anders. Das alte lateinische Sprichwort heißt: "Si vis pacem, para bellum" (Willst du den Frieden, so bereite den Krieg vor). Und es stammt nicht von Verfechtern der Friedensbewegung.

In diesem Jahr erinnern wir uns an den Beginn des 1. Weltkriegs vor 100 und den des 2. Weltkriegs vor 75 Jahren. In Spielfilmen, Dokumentationen und Zeitzeugenberichten wird dem Zuseher der Wahnsinn des Krieges vor Augen geführt. Aber Krieg gehört leider nicht einer grausamen Vergangenheit an sondern ist allgegenwärtig. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges mit seinen geschätzten 60 Millionen Toten wurde Europa weitgehend von kriegerischen Konflikten verschont, weltweit stieg allerdings die Zahl der Kriegsschauplätze, und die ganze Welt war involviert ins atomare Wettrüsten mit der drohenden Auslöschung des ganzen Planeten.

Besonders im vergangenen Sommer sind wir überschüttet worden mit Kriegsberichterstattung. Berichte über militärische Konflikte im Nahen Osten, in Syrien, im Irak, in Gaza und Israel und Kämpfe in der Ukraine waren ständige Begleiter der Medienkonsumenten. Und dabei waren das nur jene Konflikte, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen oder überhaupt bekannt geworden sind.

"Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein", erklärte 1948 der Ökumenische Rat der Kirchen bei seiner Gründungsversammlung unter dem Eindruck der Schrecken des 2. Weltkriegs. An die Stelle des gerechten Krieges rückte der gerechte Frieden. Umso ernüchternder ist es, dass mit den Bildern der brutalen Kämpfer des Islamischen Staates und den Berichten über den Konflikt in der Ostukraine so mancher Politiker, sich auf seine christliche Gesinnung berufend, militärische Hilfe oder gar Intervention fordert, um größeres Leid für die Zivilbevölkerung abzuwenden.

Es mag Situationen geben, in denen der Gebrauch von Gewalt schlimmeres Übel verhindert. Aber allzu schnell setzen Regierungen auf die militärische Karte anstatt sich für einen gerechten Frieden auszusprechen und einzusetzen. Die Nato baut eine Drohkulisse gegen Russland auf. Die USA bombardiert Stellungen der Islamisten im Irak. Vor todbringenden Aggressoren dürfe man nicht zurückweichen sondern sie müssten bekämpft und ausgeschaltet werden, so der Tenor der Befürworter der Gewalt.

Menschen neigen dazu, erst dann einzuschreiten und aufzuschreien, wenn die Katastrophe schon da ist. Noch vor Beginn des 1. Weltkriegs hatte ein evangelisch-reformierter Pfarrer und Universitätslehrer, sein Name Alphonse Witz-Oberlin, zur Zeit allgemeiner Kriegsbegeisterung die Fahne des Friedens hochgehalten. In einer kleinen Schrift mit dem Titel: "Gott und der Krieg" hat er geschrieben: "Es ist unsere Pflicht, die öffentliche Meinung für den Frieden, für den Friedenssinn, für das Friedensgewissen zu erziehen, das Zeitalter des gefestigten Friedens vorzubereiten, den Patriotismus von Selbstsucht und Habgier zu reinigen und allseits die Erkenntnis zu verbreiten, dass das Gedeihen des eigenen Landes vornehmlich durch die Förderung des allgemeinen Wohles gesichert wird."

Ist nicht so ein Satz auch heute wieder aktuell, wo vermehrt Krieg als Mittel zum Frieden betrachtet wird? Mag sein, dass dies aus einer christlichen Grundhaltung plausibel ist, auf Jesus von Nazareth kann man sich aber schwerlich dabei berufen, auf den Mann, der dazu aufgefordert hat, die andere Backe hinzuhalten und sich lieber kreuzigen ließ, als die Besatzer aus dem Land zu vertreiben.

Politiker und Militärs haben immer schon viel Energie und Gehirnschmalz investiert, um ausgeklügelte Waffensysteme zu entwickeln und die Kriegstechnik zu revolutionieren, aber wenig Fantasie bewiesen, um Konflikten vorzubeugen oder zumindest solche zu entschärfen.

Diese Arbeit hat man weitgehend den Friedensträumern überlassen. Aber wenn du wirklich Frieden willst, musst du den Frieden vorbereiten. Das bedeutet, sich dafür einzusetzen, dass die sozialen Unterschiede nicht zu groß werden, dass ethnische und religiöse Minderheiten ihre Rechte bekommen, dass die vorhandenen Ressourcen möglichst gerecht verteilt werden. Es braucht die Erziehung zu Frieden und Verständigung im Kleinen wie im Großen. Es braucht die Hoffnung vor allem für jene Menschen, die keine Perspektiven haben. So reicht es nicht, die Jihadisten in unserem Land, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen, einzusperren und zu verteufeln, es braucht auch Mittel, sie in die Gesellschaft zu integrieren oder es zumindest zu versuchen.

Das alles ist keine Garantie und ist kein Rezept gegen Krieg und Gewalt, aber so eine Haltung erhöht zumindest die Chance, dass der eine oder andere Krieg oder Gewaltakt wenigstens in Zukunft vermieden werden kann und Menschen vor Leid und Tod bewahrt werden können.

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