Schweizer Uhren wieder im Aufwind
Swatch sei Dank!
Nach der schweren Krise in den 1970er und 1980er Jahren hat die Schweizer Uhrenindustrie dank Erfindung ihrer revolutionären Plastikuhr Swatch nun auch im Luxussegment wieder Fuß gefasst. Die Folge: Uhrmacher in der Schweiz sind bereits Mangelware.
8. April 2017, 21:58
Interview mit Bundesinnungsmeister Hans Joachim Pinter
Die Schweizer Uhrenindustrie hat ihre bisher schwerste Krise nun endgültig überwunden. Quarzuhren aus Japan haben in den 1970er Jahren die Schweizer Uhrenproduzenten an den Rand des Ruins gebracht. Verhindert hat den Untergang ausgerechnet eine Plastikuhr. Auf dem Umweg über die revolutionäre Swatch haben die Uhrenhersteller aber wieder Fuß gefasst - auch mit mechanischen Uhren im Luxussegment. Die Folge: Uhrmacher sind derzeit in der Schweiz bereits Mangelware.
Die große Krise
In den 70er Jahren des 20. Jahrhundert war mit der Erfolgsgeschichte der Schweizer Uhrenindustrie abrupt Schluss. Obwohl die meisten wichtigen Innovationen im Uhrensektor von der Schweiz ausgegangen waren (Werkzeuge zur schnelleren Produktion, Uhren mit Stoppuhr-Funktion, wasserdichte Uhren), verschlief sie die größte Revolution in der Uhrenindustrie: die Einführung der Quarzuhr.
In der Schweizer Stadt Neuenburg entwickelt, starteten die Japaner mit dieser neuen Technologie ihren Siegeszug. Die an mechanischen Uhren ausgerichtete Produktion in der Schweiz war entweder zu kompliziert und teuer oder gar nicht erst angedacht. Diese Fehleinschätzung führte die gesamte Schweizer Uhrenindustrie an den Rand des Ruins.
Wer hat's erfunden?
Wenn es der Schweizer Uhrenindustrie damals nicht so schlecht gegangen wäre, gäbe es wohl heute keine Swatch-Uhren. Diese Plastikuhr rettete die Schweizer Uhrenproduzenten vor dem sicheren Untergang. Erfinder dieser Uhr war der Unternehmensberater Nicolas Hayek. Er setzte sich in den Kopf, die Welt mit einer modischen, coolen Design-Uhr zu erobern, die auf Schweizer Qualität setzte, gleichzeitig aber für eine große Käuferschicht leistbar war.
Dank einer neuen vereinfachten Produktion, eines ausgeklügelten Marketing-Konzepts und immer neuer trendiger Kollektionen ging Hayeks Plan auf. Die Swatch avancierte zum Sammlerobjekt. Bis zum heutigen Tag sind ca. 800 Millionen Swatch-Uhren produziert und weltweit vermarktet worden.
Im Swatch-Smog
Im Fahrwasser von Swatch erholte sich auch die Produktion von mechanischen Luxusuhren. Hayek kaufte Traditionsunternehmen wie Breguet, Omega und Tissot auf, modernisierte die Werke und zeigte neue Wege der Vermarktung auf. Am Ende des 20. Jahrhunderts war die Schweizer Uhrenindustrie wieder dort, wo sie die meiste Zeit ihres Bestehens rangierte: an der Weltspitze.
Heute beschäftigt die Schweizer Uhrenindustrie etwa 40.000 Menschen in rund 650 Unternehmen. Dominiert wird der Markt von der Swatch-Group. Die meisten Unternehmen beschäftigen jedoch weniger als 100 Angestellte. 95 Prozent der Uhrenproduktion gehen ins Ausland, Hauptabnehmer sind die USA und Hong Kong, in Europa Italien und Frankreich.
Uhrmacher-Mangel durch Exportrekorde
2006 konnte ein neuer Exportrekord erzielt werden: Der Wert der Ausfuhren stieg um 10,9 Prozent auf ein Allzeit-Hoch von umgerechnet etwa 8.472 Milliarden Euro. Nicht weniger als 25 Millionen Uhren wurden ins Ausland verkauft. Jean-Daniel Pasche, der Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie, ist zuversichtlich, dass sich dieser Trend auch 2007 fortsetzen wird.
Eine Folge des Schweizer Uhren-Booms ist allerdings, dass es vor allem bei der Luxusuhren-Produktion an Fachleuten im Land mangelt. Seit der damaligen Krise in den 1970er Jahren wurden nämlich stetig Lehrstellen abgebaut. Eine Studie der Uhrenfabrikanten zeigt, dass jährlich mehr als 100 neue Fachkräfte fehlen.
Wie die Schweizer Uhr entstand
Die Schweizer Uhrenproduktion ist bereits im 17. Jahrhundert in zwei Gebieten der Eidgenossenschaft entstanden: am Genfer See und im Jura, beides an der Grenze zu Frankreich. In ihren Anfängen reüssierten die Schweizer Uhrmacher mit dem, was wir heute Raubkopien nennen: Sie bauten Modelle aus Italien, Frankreich und England nach, die mit der Uhrenproduktion einige Jahre früher angefangen hatten. Dank ihrer Fertigkeit aus anderen automatisierten Wirtschaftszweigen konnten die Schweizer Uhrmacher effizienter und damit billiger als ihre Konkurrenten aus dem Ausland produzieren. Nachdem sich die Schweizer Uhrenindustrie durch ihre Raubkopien etabliert hat, fing sie an, eigene Modelle zu kreieren.
Asien war bis ins 19. Jahrhundert einer der wichtigsten Absatzmärkte für Schweizer Uhren. Die Herrscher der chinesischen Qing-Dynastie erfreuten sich an den Qualtitätszeitmessern genauso wie der Schah von Persien, Schweizer "Rajah-Uhren mit eingearbeiteten Email-Porträts von Fotos war bei den Reichen Indiens der große Renner. Neue Erfindungen machten die Uhrenproduktion in der Schweiz im Vergleich zur Konkurrenz immer schneller. Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Eidgenossen auch die Briten überholt und waren zu den weltweit wichtigsten Uhrenproduzenten und -händlern geworden.
Zu ihrer Hochblüte am Beginn des 20. Jahrhunderts waren in rund 200 Manufakturen bis zu 100.000 Arbeiter beschäftigt. Dank der Neutralität und dem daraus resultierenden Umstand, nicht in die zwei Weltkriege involviert zu sein, konnte sich die Schweizer Uhrenindustrie im Gegensatz zur Konkurrenz stetig weiterentwickeln und ihre Vormachtstellung stabilisieren.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 9. Februar 2007, 9:45 Uhr
Links
Swissworld - Schweizer Uhrenindustrie
Wikipedia - Thema Uhren
Swatch
Swatch Group
Ulysse Nardin