Bilgeri als Schriftsteller - Teil 2

B. ist nicht Bohlen

Anderswo haben sie an Bücher schreibenden Popmusikern nur unfreiwillig komische Dodeln zu bieten. Österreich hat Reinhold Bilgeri. Sein Romandebüt hat er "aus dem Stand" geschrieben. Auf ein nächstes Buch des Ex-Austropoppers darf man sehr gespannt sein.

Vor mehreren Jahren habe ich in einem Magazin ein Interview mit diesem Bohlen gelesen. Wahrscheinlich ist das schon zehn Jahre her, denn ich musste es lesen, nämlich in meiner intensiven Ausbildung zum intensiv akademisch geprüften, intensiven Journalisten für Printmedien und Hörfunk. In den Printmedien zahlen sie noch weniger als beim Radio, deshalb bin ich hier. Geblieben, denn hier hin tat ich meinen ersten Schritt aus dem Universitätsgebäude. Schuld daran war Richard Goll, den ja alle kennen, dem gefiel mein Übungsfeature über den Busen an sich so intensiv, dass er mich engagierte, eine Sendung über Kinderpornografie zu machen. Was es nicht alles gibt … Intensiv!

Dann gab es jedenfalls auch diesen Bohlen, und der plauderte in dem Interview über seine Sicht auf Frauen im Speziellen und auf seine (damalige) Frau im Allgemeinen. Was für ein … Kerl! Was für ein … Kerl. Ich komme hier nicht weiter. Inhaltlich. Was für ein … man darf es hier nicht schreiben, man bekommt sonst Gnackwatschn, und es ist ja auch nicht nötig, noch ein Wort zu schreiben, alle wissen, was los ist. Oder nicht? Ich befördere total zwanglos und ungestraft Vorurteile, das Klischee vom primitiven Popmusiker, der zu blöd ist, um zu erkennen, dass man manches allenfalls denkt, nie aber ausspricht, am wenigsten gegenüber einem Journalisten. Warum sagt ihm das keiner, diesem Bohlen, wenn schon alle wissen, wie blöd er ist?!

Womit befördere ich dieses Klischee? Mit Recht. Ich brauche diesen Bohlen zur Illustration meiner Behauptung, dass es gute und schlechte Menschen gibt. Desgleichen gibt es freilich gute und schlechte Literatur, aber egal. Es ging um Reinhold Bilgeri. Ihn habe ich - im Gegensatz zu diesem Bohlen - persönlich kennen lernen dürfen. Das persönliche Kennenlernen von bekannten Leuten ist eine der verrücktesten Sachen an der Radioarbeit: Allein durch deinen Job legitimiert, kannst du jeden Prominenten dieser Welt mit Fragen bedrängen, außer Osama Bin Laden und vielleicht George W. Bush, aber den kann man sowieso nur "and you?" fragen.

Kleiner Rundumschlag. War das. Lässig.

Nach der ersten Begegnung mit Reinhold Bilgeri kamen drei Tage in Dornbirn, dort, wo er zu Hause ist und seine Frau auch und sein Kind sowieso. Wir fuhren kurz hinüber zu Michael Köhlmeier, die beiden lachten wie Buben über ihre eigenen Witze und ich bekam Espresso und Kekse, wir fuhren nach Lech zum Philosophicum, aßen mit Bundespräsident und Landeshauptmann zu Abend, tranken besten Zweigelt und belegten im Auto dieselben Politiker mit Flüchen.

Irgendwie ist es dem Prinzip nach zum Erbrechen reizend, so auf gut Freund zu sein mit Menschen, die man ohne Mikrofon und Aufnahmegerät nie kennen gelernt hätte (und gelegentlich: wollte). Und weniges auf der Welt ist so sicher, wie dass dieser Bohlen auch und gerade dann ein Ekel ist, wenn man ihn vorm Mikrofon hat, geschweige denn, HILFE!, beim Plauschen danach.

Bei Bilgeri, wollte ich sagen, war das anders. Nicht, dass er es nicht auch einfach nur verstünde, mit Journalisten pfleglich umzugehen. Aber beim Radio sind ja auch nicht alle auf den Kopf gefallen, man hat sich ein primitives Urteilsvermögen erhalten. Man hat, zugegeben selten, über Reinhold Bilgeri nachgedacht seit der Kindheit, als man noch Ö3 hörte und Ö3 noch Austropop spielte. Als dann die Anfrage kam, ob ich die Sendung machen wollte, fragte ich mich doch ein bisschen, wer jetzt wohl als nächstes daherkommen würde, er hätte ein Buch geschrieben. Und dann musste man feststellen: Bilgeri ist nicht Bohlen. Kein Sexist, keine Dumpfbacke, kein Unsympathler.

Dies war eine der raren erfreulichen Anekdoten aus dem Leben eines Rundfunkjournalisten.

Mehr zu Reinhold Bilgeri und Philip Scheiner in oe1.ORF.at

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung "Tonspuren" zu Reinhold Bilgeri vom Freitag, dem 10. November 2006, 22:15 Uhr, nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.