Scheiterhaufen und Vegetarierfallen
Kulinarische Unsitten
Ein Großer Brauner oder ein Cappuccino mit Schlagobershaube, der Salat unmariniert und die Gulaschsuppe ohne Semmel, da hört sich der Spaß beim Essen auf. Über "kulinarische Unsitten" und Vorschläge, wie es besser gemacht werden kann.
8. April 2017, 21:58
Aufreger bei Tisch
Fade Gerichte, Ignoranz des Personals und die Spekulation mit der Unwissenheit des Gastes trüben häufig die Freude auf erwartete Genusserlebnisse. Der Gast will mehr als abgefüttert werden und der Koch erwartet eine gewisse Würdigung seiner Bemühungen ums leibliche Wohl.
"Pommes sind ja was Wunderbares", meint Andreas Wojta, Koch und begnadeter Aufregungskünstler in Sachen gutes Essen. "Nur sollten's knusprig sein, und wenn ich das Stückl Fleisch, das ja noch immer etwas Saft lässt, dann auf dem Teller, auf die Pommes leg, und dann vielleicht noch irgendein Dosengemüse dazu gib, und das wie einen Scheiterhaufen anrichte, dann hab ich in irgend einer Weise meinen Beruf verfehlt, dann hätte ich vielleicht Schlichter werden sollen aber nicht Koch."
Ruccolitis und Tortellini-Wahn
"Ruccola, die Ruccolitis , überall Ruccola, wenn's vom Amuse-Gueule bis zum Dessert Ruccola dabei hast, dann seh' ich das gewissermaßen als Beleidigung meiner Intelligenz", so Florian Holzer, Gourmet-Journalist. Das sei ein "Dekorierungswahn, den man in den 1990er Jahren eigentlich schon sich wähnte und der momentan wieder böse um sich greift".
"Was mich in letzter Zeit unwahrscheinlich aufgeregt hat, ist die Kultur der Tortellini und dieser Teigtaschen", brüskiert sich Edel-Essigmacher Erwin Gegenbauer. "Die sehen überall gleich aus und kosten ein Vermögen. Wenn man die dann öffnet, sieht man die "Sägespäne" darin, die einmal als Prosciutto interpretiert werden , dann als Pesto oder als Pilze. Und das Grundmaterial ist immer gleich!"
Die Sache mit dem Schlag
"Am Land kriegt man mit Sicherheit den Cappuccino mit Schlagobers, was ja eigentlich wiederum der Franziskaner wäre", mockiert sich Peter Steininger, Kellner und Chef-Diplom-Kaffee-Sommelier. Er erwarb sein Wissen im Institut für Kaffee-Experten-Ausbildung. Der Gast hat ein Recht darauf, sagt er, das serviert zu bekommen, was er bestellt hat.
Dazu ein persönliches Aufregungsszenario des Autors dieses Textes, erlebt in einem Kaffeehaus im Waldviertel in Niederösterreich. Der bestellte "Große Braune" wurde mit einer üppigen Schlagobershaube serviert und der schüchterne Einwand, dass das wohl ein Irrtum sein müsse, wurde mit der lakonischen Antwort abgeschmettert: "Mia gem auf ois Schlagobers drauf". Das war dann wirklich ein kräftiger Schlag, den Obers noch gar nicht mit einbezogen.
Die feinen Unterschiede
Da wäre man dann schon froh, hätte man das "Kleine ABC des Kaffees", publiziert von der Fachgruppe der Wiener Kaffeehäuser zur Hand, das übrigens in guten Wiener Kaffeehäusern aufliegen sollte, meint Peter Steininger.
Oft sind die Unterschiede fein, beim italienischen Cappuccino zum Beispiel gilt die Belästigung mit Schlagobers als unsittlich. "Der Cappuccino ist der 'geklaute Kapuziner', die Italiener haben den von den Österreichern, Kapuziner heißt ja übersetzt Cappuccino", so Steininger. "Nur hatten die Italiener kein Schlagobers in dem Sinn wie wir es hatten. Daher haben sie das einfach mit Milchschaum gemacht. So sollte es sein: ein großer Schwarzer mit Milchschaum und ein wenig Milch dazu."
Die Vegetarier-Falle
Nicht das Fehlen im Geschmack, sondern der Versuch des Hineinschummelns von gewissen Aromen und Zutaten ist für die etwa vier Prozent Vegetarier in Österreich einfach lästig, findet der Journalist Florian Holzer. "Viele Wirte und Köche wissen nicht, was vegetarische Küche bedeutet. Ein bisserl ein Speck dazu oder eine Sardellensauce kann ja nicht schaden, weil es schmeckt ja so gut, das werden ja wohl auch die Vegetarier aushalten? Nein, wollen sie nicht, müssen sie nicht! Wenn wo vegetarisch steht, dann hat dort das noch so kleine Stückerl Speck, das noch so kleine Futzerl Sardine, die noch so köstliche knackige Garnele einfach nichts zu suchen. Leider hat sich das noch nicht herumgesprochen."
Kein Wunder, dass manche aus Verzweiflung und Resignation die klassische Verlegenheitsbestellung vornehmen: "Gut, dann bringen sie mir bitte einen Salat!"
Hör-Tipp
Moment, Freitag, 25. August 2006, 17:09 Uhr
Download-Tipp
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Links
kundendienst.ORF.at - Andreas Wojta
Institut für Kaffee-Experten-Ausbildung