Die Welt der amerikanischen Upperclass

Die Manhattan Monologe

Louis Auchincloss' Prosa ist knapp, ironisch, analytisch und ohne falschen Prunk. Seine "Manhattan Monologe" sind zum Teil brillante Analysen menschlicher Verhaltensweisen, wie wir ihnen überall in der so genannten westlichen Welt begegnen.

Zur Welt der Kurzgeschichten über die amerikanische Ostküsten-Upperclass passt das sprachliche Understatement von Louis Auchincloss. Auch wenn es in den "Manhattan Monologen" um Ehebruch, finanziellen Ruin und Lebenslügen geht, nie verlässt die verschiedenen Erzähler dieser zehn Geschichten ihre Noblesse.

Louis Auchincloss ist mit einer bemerkenswerten analytischen Gabe ausgestattet. Und wo es um die Freilegung noch der verstecktesten Antriebe der Figuren geht, bleibt die Sprache stets diskret.

Offenes Ende

Am Ende der zehn Kurzgeschichten bleibt meist offen, ob sich jetzt Tragödien ereignet haben, wie die Handlungsverläufe manchmal vermuten lassen, oder ob es besser einfach nicht geht. Die fast letzten Sätze der letzten Geschichte im Buch lauten:

Lass es uns nicht gar zu ernst nehmen, Rod. Ich glaube, ich begnüge mich mit einem Salat. Wenn uns schon außer Geschmack nichts bleibt, dann doch hoffentlich ein guter.

Dies sagt die Frau eines charismatischen Anwalts, dessen Kanzlei über Jahrzehnte zu den wichtigsten New Yorks zählte. Diese Frau verfügt über einen unerbittlich analytischen Blick, der ihr den Vorwurf der Gefühlskälte einbringt. Aber Gefühle sind in diesen Manhattan Monologen auch dann wirksam, wenn sie nicht explizit beschrieben werden.

Beginn im 19. Jahrhundert

Das Buch ist in drei Abschnitte geteilt: Drei Geschichten reichen ins 19. Jahrhundert zurück, in jene Zeit, als der Glanz und die Macht der alten, eingesessenen Familien in New York noch unbeschränkt schien. Doch schon damals zeigten sich Risse. Risse bekommt Amerikas Aristokratie dann vor allem im Ersten Weltkrieg und im Gefolge der Weltwirtschaftskrise. Die alten Werte müssen nun eisern verteidigt werden, auch gegen die aufsteigenden Neureichen, die über Geld verfügen, das dem alten Familienadel zunehmend fehlt.

Mehr noch als den Vätern und Söhnen sind es die Ehefrauen und Töchter, denen die "Manhattan Monologe" vor allem gewidmet sind. In ihrer Zeichnung entfaltet sich Auchincloss' subtile analytische Sicht ganz besonders. Die "Monologe" sind fast alle Bekenntnisse, literarisierte Aufzeichnungen, gedacht als Vermächtnis für die eigenen Kinder, als posthume Richtigstellung einer Biografie.

Zwischenkriegszeit

Der zweite Abschnitt trägt die Überschrift "Entre deux guerres". Die 20er, 30er und 40er Jahre sind ökonomisch und politisch auch für Amerika entscheidende Jahre. "Kollaboration" handelt von Verstrickungen mit Nazi-Deutschland, "Der Assistent des Richters" vom Kampf konservativer, rechtsnationaler oberster Richter gegen die Rooseveltsche "New Deal"-Politik, die den ungehemmten Kapitalismus zügeln und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise mildern wollte.

Das Ende der Patriarchen

Der fast 90-jährige ehemalige Wirtschaftsanwalt Louis Auchincloss, selbst Teil jener Gesellschaft, die er beschreibt, behandelt in seinen Geschichten Fragen des Rechts, der Moral und der Sittlichkeit. Seine erzählerische Eleganz bereitet großes Lesevergnügen.

Allerdings beginnen sich die Muster im letzten Drittel des Buches irgendwann zu wiederholen. Die New Yorker Stadthäuser und die Long-Island-Feriensitze, die Yale- und Harvard Jusstudien, die erfolgreichen Männer und die klugen, aber unterlegenen Frauen verschwimmen. Auch sind die Geschichten, die in die Gegenwart reichen - "Der Gegenwart näher" heißt der letzte Abschnitt - die schwächeren. Vielleicht auch deshalb, weil die alten Familien endgültig vom skrupellosen Geldmachen überrollt wurden und sowohl ihr Puritanismus als auch ihre Liberalität alt aussehen.

Stark sind die Geschichten immer dort, wo sie, wie es an einer Stelle heißt, "die merkwürdige Fähigkeit" der Reichen und Erfolgreichen beschreiben, "ein behagliches Leben unbehaglich zu machen". Und da dies nicht das ausschließliche Privileg nur einer sozialen Schicht ist, bieten die "Manhattan Monologe" zum Teil brillante Analysen menschlicher Verhaltensweisen, wie wir ihnen überall in der so genannten westlichen Welt begegnen.

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 23. April 2006, 18:15 Uhr

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Download-Tipp
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Buch-Tipp
Louis Auchincloss, "Die Manhattan Monologe", aus dem Amerikanischen übersetzt von Angela Praesent, DuMont Verlag, ISBN 3832178651