Schön und traurig

Abaelard und Heloise

"Das berühmteste Liebespaar seit Romeo und Julia" nannte Umberto Eco die beiden einmal: Abaelard und Heloise. Vor gut und gerne 700 Jahren begegnen sie einander in Paris - der Philosoph und Scholastiker Petrus Abaelardus und die 17-jährige Heloise.

Im Frankreich des Mittelalters ereignet sich eine Liebesgeschichte, die zu den schönsten, wenn auch traurigsten der Weltliteratur zählt. Dichter wie Petrarca, Rousseau und Voltaire haben sie gekannt und sich von ihr inspirieren lassen.

Enfant terrible der Intellektuellen

Es ist das Jahr 1114, als der Scholastiker und Philosoph Peter Abaelard nach Paris reist, um die Leitung der Pariser Domschule zu übernehmen. Damals ist Abaelard der herausragende Philosoph und Scholastiker seiner Zeit. Doch er ist heftig umstritten. Er ist das Enfant terrible der Intellektuellen und zugleich der schärfste Kritiker des kirchlichen Establishments. Damit zieht er sich die Feindschaft der Kirche zu.

So groß die Zahl seiner Feinde, so überwältigend ist die Masse seiner Bewunderer. Unter diesen jungen wissbegierigen Menschen befindet sich auch ein hübsches, begabtes Mädchen namens Heloise. Gekonnt zitiert sie die Autoren der Antike wie Ovid, Seneca und Lukan. Sie kann Latein, Griechisch und Hebräisch.

Gelungene Verführung

Als Heloises Mutter stirbt, kümmert sich ihr Onkel Fulbert - der Chorherr von Notre-Dame in Paris - um sie. Wie groß muss seine Überraschung gewesen sein, als Peter Abaelard, der größte Lehrer von Paris, ihm vorschlägt, seine begabte Nichte zu unterrichten!

Über den Grund zu diesem Einfall lässt uns Abaelard nicht im Unklaren. Es war nicht allein die Liebe zur Wissenschaft, es war vielmehr das Ergebnis eines raffinierten Verführungsplanes. Er schreibt in seiner Autobiografie:

In Liebe zu diesem Mädchen entflammt, suchte ich nach einer Gelegenheit, um sie durch täglichen Verkehr in ihrem Hause mir vertraut zu machen und sie leichter zur Hingabe zu verleiten.

Abaelard hat Erfolg. Fulbert überlässt Heloise ganz und gar seiner Erziehung. Diese Erziehung beschränkt sich allerdings binnen kürzester Zeit nicht nur auf den geistigen Unterricht.

Waren die Bücher aufgeschlagen, wurden mehr Worte über die Liebe als über den Lesestoff gewechselt, gab es mehr Küsse als Sätze, wanderten die Hände öfter zum Busen als zu den Büchern, spiegelte die Liebe häufiger die Augen ineinander als dass die Lektüre sie auf die Schrift gelenkt hätte.

Liebe mit Folgen

Eine Zeit des unbekümmerten Liebesgenusses beginnt. Bald singt ganz Paris von Abaelard und Heloises Liebe. Eines Tages entdeckt auch Fulbert die Affäre, und rasend vor Wut und Enttäuschung wirft er den Verführer aus dem Haus. Die Liebenden werden getrennt. Da entdeckt Heloise, dass sie ein Kind erwartet und benachrichtigt voller Freude ihren Geliebten. Dieser entführt sie heimlich und bringt sie zu seiner Schwester in die Bretagne. 1118 bringt sie hier einen Sohn zur Welt, dem sie den Namen Petrus Astrolabius gibt - "Der nach den Sternen greift".

In der Zwischenzeit bemüht sich Abaelard um eine Versöhnung mit Fulbert. Im Zuge dessen bietet er ihm sogar an, die von ihm entehrte Heloise zu heiraten. Allerdings müsse die Ehe geheim bleiben, damit sein Ruf und seine weitere theologische Karriere keinen Schaden nähme. Daher ist Heloise gegen eine Heirat.

In dem Namen "Gattin" hören andere vielleicht das Hehre, das Dauernde; mir war es immer der Inbegriff aller Süße, Deine Geliebte zu heißen, ja - bitte zürne nicht! - Deine Schlafbuhle, Deine Dirne.

Tragische Wendung

Trotz Heloises Einwänden stimmt Fulbert der Hochzeit zu. Und so werden die Liebenden Abaelard und Heloise heimlich getraut.

Hier wäre ein hübscher Schluss für ein Märchen, doch wirklich gute Geschichten zeichnen sich leider dadurch aus, dass sie immer, kurz bevor alles im Glück ertrinkt, eine tragische Wendung nehmen. So auch hier.

Fulbert bricht sein Versprechen; er beginnt, die Ehe bekannt zu machen. Abaelard bringt seine geliebte Frau in das Kloster, in dem sie als kleines Mädchen erzogen und ausgebildet worden ist: das Kloster Argenteuil bei Paris. Hier bleibt Heloise, ohne den Schleier zu nehmen. Fulbert und seine Verwandten glauben jedoch, Abaelard wollte Heloise loswerden und nehmen grausame Rache: Mittelsmänner überfallen Abaelard eines Nachts und kastrieren ihn kurzerhand.

Ich fühlte mehr die Scham als die Verletzung, litt mehr an der Schmach als am Schmerz. Dieser unerhört peinliche Fall!

Für immer

Abaelard flüchtet vor der demütigenden Situation ins Kloster St. Denis, im Norden von Paris. Dort legt er das Mönchsgelübde ab und erhält bald darauf die Priesterweihe. Zuvor jedoch drängt er Heloise, ebenfalls in ein Kloster einzutreten. Heloise gibt Abaelards Drängen nach.

Die Liebe, die sehr körperlich begonnen hat, durchlebt einen langsamen Prozess der Wandlung zur seelischen Vereinigung. Bis an ihr Lebensende sind Heloise und Abaelard durch tiefe Freundschaft und einen intensiven Briefwechsel miteinander verbunden.

Hör-Tipp
Hörbilder spezial, Donnerstag, 22. Mai 2008, 9:05 Uhr

Buch-Tipps
Eva Cescutti und Philipp Steger (Hg.), "Und wärst du doch bei mir - Ex epistolis duorum amantium. Eine mittelalterliche Liebesgeschichte in Briefen", Lateinisch-Deutsch, Manesse Verlag

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Stephan Ernst, "Petrus Abaelardus", Aschendorff Verlag

Links
Heloisa und Abaelard
Wikipedia - Petrus Abaelardus
Wikipedia - Heloise