Interpretationen auf der Trompete
Carnevale di Venezia
"Ein Hund kam in die Küche", immer wieder die gleiche Strophe solange wie es gefällt. So simpel das Liedchen, es eröffnet eine Unzahl an Möglichkeiten, damit zu spielen, zu variieren. Die Musiker haben gern davon Gebrauch gemacht.
8. April 2017, 21:58
Wynton Marsalis und Maurice André im Vergleich
Ein redundanter Text oder: a never ending story, kaum ist die erste Strophe gesungen, folgt die zweite mit eben dem nämlichen Text und das solange wie es den Sängern gefällt.
So simpel das Liedchen, es eröffnet eine Unzahl an Möglichkeiten, damit zu spielen, es zu verändern, zu variieren. Die Musiker haben heftig und gern davon Gebrauch gemacht.
Eine nach innen verlaufende unendliche Spirale
Auch in der Literatur wird der Hund zitiert, in Samuel Becketts "Warten auf Godot" entwickelt sich der Reim wie eine nach innen verlaufende unendliche Spirale, die aber ebenso als eine Folge von konzentrischen Kreisen gelesen werden kann.
Wahrscheinlich hat Beckett die Unentschiedenheit zwischen Spirale und konzentrischen Kreisen fasziniert, dass die Niederschrift der Geschichte auf dem Grabstein quasi innerhalb der vorhergehenden Geschichte liegt und den Übergang zum Anfang wie zum nächsten innen liegenden Kreis markiert.
Wynton Marsalis setzt Maßstäbe
Das Liedchen ist übrigens in vielen Ländern bekannt. Die Interpretation von Wynton Marsalis "Fantaisie et variations sur Le carnaval de Venise" von Jean-Babtiste Arban lässt keine Wünsche offen. Für die Trompeter ist dieser Arban so eine Figur wie für die Pianisten Carl Czerny.
Arban hat im 19.Jahrhundert ein Lehrbuch für die Trompete und das Kornett verfasst, Etüden und Drillübungen auf 347 Seiten, es gilt nach wie vor als Bibel der Trompeter. Das anspruchsvollste Stück steht am Schluss. Wer bis dahin gekommen ist, muss über eine makellose Phrasierung, perfekte Fingertechnik und Sicherheit im Umgang mit Tonvorrat und Klangspektrum der Trompete verfügen, sonst wird er, sie den "Carnaval de Venise" nicht schaffen.
Wynton Marsalis soll als Jugendlicher im Durchschnitt auf sechs Übungssstunden pro Tag gekommen sein, den Großteil seiner Übungszeit widmete er dem Arban. Kein Wunder, dass er ihn gut spielt, so gut, dass seine hochvirtuose Darbietung, die er mit dem Eastman Wind Ensemble unter Donald Hunsberger eingespielt hat, zur Referenz für alle Trompeter und Kornettisten geworden ist. An dieser Aufnahme kommt keiner der Interpreten vorbei, an ihr werden sie sich messen müssen.
Ein bisschen verhaltener
Maurice André spielt die Variationen über "Le Carnval de Venise" ein bisschen verhaltener, nicht ganz so stupend geschmeidig und rund wie Marsalis. Es klingt ein bisschen so, wie wenn zuerst der Springinsfeld Sohn spiele und dann der noch jugendliche, aber schon etwas gesetztere, behäbigere Papa.
Überraschend melancholisch wird André kurz vor Schluss, nicht siegreich strahlend verweilt er auf dem hohen Ton, sein Ende wird in der Schwebe gehalten.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 1. Februar 2006, 10:05 Uhr
Download-Tipp
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