Scarlatti-Oratorium aus Utrecht

Eine Ö1 Premiere

Dieses Beispiel zeigt, dass es noch immer Werke alter Meister (wieder) zu entdecken gibt: Nach rund 300 Jahren wurde Scarlattis "La Santissima annunziata" heuer beim Alte-Musik-Festival in Utrecht erstmals wieder aufgeführt. Ö1 sendet nun das Oratorium.

Von vielen berühmten Meistern alter Zeit gibt es noch etliches aus den Archiven zu bergen, wie dieses Beispiel zeigt: Nach rund 300 Jahren wurde heuer Alessandro Scarlattis Oratorium "La Santissima annunziata" beim Alte-Musik-Festival in Utrecht mit dem Ensemble Europa Galante unter Fabio Biondi erstmals wieder aufgeführt. Und am Stefanitag ist eine Aufzeichnung dieser Wiederentdeckung als Ö1 Premiere nun zu hören.

Das Libretto zu diesem Scarlatti-Oratorium stammt aus der Feder des Kardinals Pietro Ottoboni. Das Werk entstand anno 1700 im Rahmen der Feierlichkeiten zum Jubeljahr der katholischen Kirche. Uraufgeführt wurde das zweiteilige Werk, das übrigens nur in einer Kopie der Königlichen Bibliothek von Brüssel erhalten ist, am 25. März 1700, dem Fest Mariae Verkündigung, im Palazzo della Cancelleria in Rom.

Die Handlung

Wenige Instrumentaltakte führen uns zu Maria. Sie erwägt den Sündenfall der ersten Menschen und bittet um Gottes Erlösungsgnade. Da erfüllt ein Flügelrauschen den Raum, der Engel des Herrn steht vor Maria und verkündet, sie werde die Mutter von Gottes Sohn. Maria erschrickt, ruft ihre Gedanken herbei, ihr zu raten. Und diese erscheinen dann auch, nacheinander und leibhaftig in Allegorieform:

Zunächst hält der Verdacht Maria vor, die Hoffnung auf große Ehre berge auch große Gefahren. Dann mahnt die Allegorie der Jungfräulichkeit, nicht für etwas, das unmöglich ist, die Unversehrtheit preiszugeben. Und schließlich warnt die Figur der Demut vor Überheblichkeit, indem sie auf Adam verweist, der sich in der Hoffnung täuschte, wie Gott zu werden, und den Nachkommen nur Tod und Klage hinterließ.

Die Verkündigung des Engels

Maria verzweifelt: Statt erhofften Rat erlebt sie den Aufruhr ihrer Gedanken und Gefühle. In einem feierlichen, zwischen Accompagnato und Arien wechselnden Gebet, fleht sie zu Gott: Er habe doch die Israeliten trockenen Fußes durch das Meer geführt, sie in der Wüste mit Manna gespeist, David gegen Goliath siegen und Judit den Holofernes überwinden lassen.

Wenn er denn in vergleichbar wunderbarer Weise durch sie den seit Adam verschlossenen Himmel wieder öffnen wolle, so geschehe sein Wille, auch wenn sie um ihre Jungfräulichkeit bange. Der Engel zerstreut ihre Furcht und verkündet, sie werde zugleich Jungfrau und Mutter sein. Und in einem abschließenden Duett bekräftigen beide: "Alles vermag, der dich zum Gefährten einer so hohen Aufgabe bestimmt hat".

Maria wird bestärkt ...

Am Beginn des zweiten Teiles treffen wir Maria wieder allein: Ihre Gedanken kreisen um das Unmögliche, doch sie glaubt fest daran, zugleich Jungfrau und Mutter, Magd und Königin zu werden. Und geschickt weiß der Librettist, Kardinal Pietro Ottoboni, biblische Symbole wie Zeder, Rose, Balsam und Myrrhe einzuflechten, um Marias außergewöhnlichen Wert für die Erlösung der Welt zu verdeutlichen.

Wieder treten auch die Allegorien von Mariens Gedanken auf, diesmal jedoch nicht abratend, mahnend und warnend, sondern bestärkend: So hegt die Figur des Verdachts keinen Zweifel mehr daran, dass nur Maria das Mysterium der Menschwerdung von Gottes Sohn erschließen kann. Bilderreich zeigt die Allegorie der Jungfräulichkeit auf, dass selbst Kristalle sowie das Weiß von Lilien, Schnee und Tauben vor dem Glanz von Mariens Unversehrtheit verblassen müssen.Und die Figur der Demut unterstreicht nicht ohne Stolz, dass der Herrscher des Alls in größter Bescheidenheit Mensch wird.

... und auf das Kommende vorbereitet

Bei so viel Euphorie greift allerdings der Verkündigungsengel noch einmal ein und weist auf die für den Erlöser und seine Mutter zu erwartenden Leiden hin, angefangen von der Unwirtlichkeit der Geburtsstätte bis hin zum Judaskuss und der Auslieferung des Unschuldigen. Unwillig sträubt sich Maria gegen solches Vorwissen, sie will hinnehmen, was kommt.

Dennoch: Der Engel bereitet sie darauf vor, dass die Erlösung der Menschheit auch noch über Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung führen wird. Maria aber bleibt bei ihrem Jawort. Sie will alles durchstehen, mehr noch: ihre Leiden denen opfern, die in Sünde leben und sie unter Tränen um Hilfe bitten.

Links
Classical Music Pages - Alessandro Scarlatti (1660-1725)
Festival Oude Muziek Utrecht
L’europa Galante