Im Interpretationsvergleich
Tschaikowskys Streichquartett Nr. 3
Es ist ein Beispiel dafür, dass das Kühne, manchmal fast Exzentrische dieses Komponisten mitunter unterschätzt wird: Tschaikowskys drittes Streichquartett. Ein Interpretations-Vergleich zwischen Atrium, St. Lawrence, Borodin und Schubert Quartett.
8. April 2017, 21:58
Schubert und Borodin Quartett, Beginn des zweiten Satzes
Tschaikowskys drittes Streichquartett, 1876 komponiert, ist einerseits ein großes Requiem auf den gerade verstorbenen Geiger Ferdinand Laub und schon deshalb ein schweres, aber keinesfalls schwermütiges Stück. Oft ist zu lesen, dass es das schönste, intensivste Kammermusikwerk Tschaikowskys sei - sehr vernachlässigt in den Konzertsälen, vielleicht auch wegen der hohen Konzentration, die der ungewöhnlich lange erste Satz Musikern und Zuhörern abverlangt (er dauert etwa 15 bis 18 Minuten).
Für mich ist es aber auch immer wieder ein Beispiel dafür, dass man das Kühne, manchmal fast Exzentrische dieses Komponisten unterschätzt, ihn zu schnell mit "Nussknacker" und "Schwanensee" identifiziert. Dabei gibt es komplexe ebenso wie bizarre Sätze von ihm, die klanglich verblüffen.
Expressiv mit Atrium String Quartet
Vor zwei Jahren stellten sich vier junge Streicher aus St. Petersburg bei Emi in der solchen Erstlingswerken gewidmeten Reihe "Debüt" vor: das Atrium String Quartet. Preisgekrönt wurden die vier am St. Petersburger Konservatorium ausgebildeten Musiker beim Internationalen Streichquartett-Wettbewerb in London vor zwei Jahren.
Hört man in diese Musik Tschaikowskys, entdeckt man in Teil zwei des viersätzigen Quartetts ein berauschendes und unglaublich virtuos komponiertes Scherzando, das den vier Musikern einiges abverlangt, vor allem in puncto Zusammenspiel. Wild geht es da zu bei dieser Aufnahme des Atrium String Quartet: Dabei schwankt alles zwischen einem tänzerischen und einem grellen, expressiven, fast aggressiven Klang.
Frecher mit Borodin Quartett
Diese Einspielung ist aufnahmetechnisch "trockener", die Musiker wirken "näher". Vor allem aber: Hier werden die durch die Stimmen springenden Töne im Spiccato gespielt - was dem Ganzen einen noch frecheren Charakter verleiht.
Alles kurz und prägnant - so klingt Tschaikowskys Streichquartett Nr. 3 mit dem Borodin Quartett:
"Moskau-Wien" im Vergleich
Das Tempo ist langsamer beim Franz Schubert Quartett. Die durch alle Stimmen springenden Töne werden mit ernster Miene, kräftig und breit gestrichen. Und dann - anders als in allen bisherigen Aufnahmen - in einer weich gestrichenen Auflösung beendet.
Bei den Borodins ist alles kürzer artikuliert und dadurch klingt alles frecher bzw. spritziger. Demgegenüber hat die Interpretation des Schubert Quartetts einen dramatischem und weichem Klang.
Links
Anders Artists Management - Borodin Quartet
St. Lawrence String Quartet
Tanaris - String Quartet Atrium
Peter Illjitsch Tschaikowsky (1840 - 1893)
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