Arbeiten in einer globalen Welt
Indien - alte und neue Heimat
In Indien sollen in den nächsten Jahren etwa eine Million neuer Arbeitsplätze im IT-Bereich entstehen. Verlockende Aussichten für europäische Software-Experten, aber auch für indische Migranten in Europa, die in die alte Heimat zurückkehren wollen.
8. April 2017, 21:58
Auf der Suche nach einem besseren Leben kam der Inder Bupender Singh Sacher 1977 über Kabul und Istanbul mit dem Orient-Express nach Wien. Nach jahrelanger Arbeit als Zeitungsverkäufer besitzt der ausgebildete Ingenieur nun mehrere Restaurants in Wien und führt ein Leben in ansehnlichem Wohlstand - ein Beispiel für einen Arbeitsmigranten im herkömmlichen Sinn.
Traumziel Indien
Heute dreht sich die Richtung der Arbeitsmigration um. Haben früher Menschen aus einem Entwicklungsland wie Indien gehofft, in den Industriestaaten ein neues Leben anzufangen, so gibt es heute Anzeichen für einen Gegentrend: Indien wird zum Traumland für gut ausgebildete Europäer auf Arbeitssuche.
Wie etwa der Computerfachmann Steve Taylor aus Großbritannien, der heute in Bangalore in Südindien lebt, dem Herz der indischen Software-Industrie - einer der über 30.000 Software Experten aus Europa, die zurzeit im "indischen Silicon Valley" arbeiten.
Bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze im IT Bereich sollen in den nächsten Jahren in Indien entstehen. Jetzt halten auch indische Migranten in Europa verstärkt Ausschau nach Arbeitsmöglichkeiten in der alten indischen Heimat. Der indische IT-Experte Rajan Roy, der seit drei Jahren in Wien für einen multinationalen Konzern arbeitet, möchte bald mit seiner Frau nach Hause zurückehren.
Eine neue Heimat
Welches sind die Kriterien, nach denen ein gut ausgebildeter Techniker, dem die Welt offen steht, sich den Ort aussucht, an dem er Arbeit und Leben miteinander in Einklang bringen kann? Vernünftige Bezahlung ist dabei ein Argument, aber genauso wichtig ist die Verbindung mit der Großfamilie und sozialen Netzwerken.
Ein Treffpunkt für die indischen IT-Experten in Wien ist der Hindu Tempel in der Lammgasse im achten Wiener Gemeindebezirk. Das Ziel der Migration im 21. Jahrhundert ist nicht eine volle Assimilierung im Gastland, sondern sich in der neuen Heimat Plätze zu schaffen, wo die eigene Kultur sich entfaltet, wo Netzwerke gepflegt werden und Platz für religiöse Zeremonien ist. Der Tempel hilft dabei, die Verbindung zur Heimat auf der spirituellen Ebene aufrecht zu halten.
Migration als Selbstverständlichkeit
Wie in vielen nicht-europäischen Ländern ist die Vermischung von Kulturen der Normalfall im globalen Alltag und gehört in Indien, aber auch auf den Philippinen oder in Mexiko zum kulturellen Muster. In der westlichen Welt dagegen gilt Migration und ihre Folgen oft als Störfall, als Abweichung vom Normalen, als Folgeerscheinung von Krise und Umbruch. Übergänge, Fusionen, Auflösungen und Neuschöpfungen werden in Europa als Phänomene der Entwurzelung verstanden.
Migranten und Migrantinnen, in Indien und in Österreich, kreieren imaginierte Welten, die für das Selbstverständnis notwendig sind. Neue Konzepte von Nachbarschaft entstehen, die nicht mehr an eine bestimmte geographische Region gebunden sind.
Der Begriff "Heimat" verliert seine Eindeutigkeit - für die Arbeitsmigranten in Indien und in Österreich ist die Verwobenheit mit globalen Gegebenheiten keine Zukunftsmusik, sondern tägliche Erfahrung.
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.