Eine geistliche Oper

Händels "Saul“

Der Sommer 1738 ließ vorerst nichts Gutes ahnen: das englische Publikum hatte sein Interesse an italienischen Opern verloren. Händel musste rasch reagieren und entschloss sich kurzerhand zur Komposition eines Oratoriums in englischer Sprache: "Saul".

Als die wachsende Abneigung des Londoner Publikums gegenüber der italienischen Oper im Sommer 1738 dazu geführt hatte, dass eine neue Opernsaison mangels Subskribenten nicht stattfinden konnte, entschloss sich Händel zur Komposition eines Oratoriums in englischer Sprache. Die einzelnen Akte erarbeitete er wie sonst in je einer guten Woche. Zur klanglichen Darstellung der außerordentlich starken Dramatik des Werks bot Händel eine ungewöhnlich große Orchesterbesetzung.

Halleluja

Zum vierstimmigen Streichercorps, zu den je doppelten Oboen, Flöten, Fagotten und Trompeten, ferner zu Cembalo, Orgel und zum Basso continuo mit Theorbe, Violoncello und Kontrabass traten noch Instrumente hinzu, die offensichtlich an die Musik der Zeit Sauls erinnern sollten. Dazu zählte zum Beispiel die damals in England schon außer Mode gekommenen Sackbuts, eine spezielle Posaunenart, ferner ein als tubal cains bezeichnetes Glockenspiel und die größten Kesselpauken, die Händel in His Majesty’s Stores im Tower gefunden hatte.

Ungewöhnlich umfangreich sind auch die reinen Instrumentalsätze, darunter die viersätzige Symphony am Beginn des ersten Aktes, das Harfensolo des David, Symphonien zur Hochzeit von David und Michal, zum Neumondfest und zur Schlacht Sauls gegen die Amalekiter und nicht zu vergessen der Trauermarsch für Traversieren, tiefe Streicher und Pauken.

Auch durch gezielte instrumentale Einfärbung der Accompagnati und der meist Dacapo-freien Arien unterstrich Händel die einzigartige Dramatik des Geschehens ebenso wie mit den großen Chorszenen, insbesondere mit "The Song of Triumph“ im ersten, mit dem Eifersuchtschor im zweiten und dem ausgreifenden chorischen Lamento im dritten Akt.

Rezeptionsgeschichte

Händels Werk beeindruckte nach zeitgenössischen Berichten bereits bei der Generalprobe nachhaltig und wurde bei der Uraufführung mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Georg Friedrich Händel spielte übrigens damals zwischen den Akten Orgelkonzerte, die er kurz zuvor als Opus 4 hatte drucken lassen.

Nach Händels Tod gab es in England keine Wiederholungsaufführungen mehr, allein die einleitende Symphonie und der Trauermarsch fanden weitere Verbreitung. Auch auf dem Festland konnte das Oratorium zunächst nicht Fuß fassen.

"Saul"-Renaissance

Bemerkenswert ist, dass Johannes Brahms den "Saul" 1873 in einem Konzert der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde aufführte und der gefürchtete Kritiker Eduard Hanslick dies eine "unbegreifliche Verspätung“ nannte.

Doch erst als 1923 im Rahmen der von Göttingen ausgehenden Händel-Renaissance in Hannover eine szenische Aufführung mit 800 Beteiligten die Wucht der Dramatik sinnfällig gemacht hatte, mehrten sich die Aufführungen und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in England.

Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)