Therapie nach Verfolgung und Flucht

Interkulturelle Psychotherapie

Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und in Österreich um Asyl ansuchen, sind psychisch meistens extrem belastet. Sie haben Gewalt, Krieg, oft auch Folter erlebt und wissen nicht, wie es weiter geht. Wie kann ihnen geholfen werden?

Eine junge Frau aus Tschetschenien ist aus ihrer Heimat geflohen, weil sie politisch verfolgt wurde. Monatelang war sie auf der Flucht, bis sie irgendwann völlig erschöpft in Österreich ankam. Während der Wochen und Monate der Flucht klammerte sie sich an die Hoffnung, in ein Land zu kommen, wo sie sicher und vor allem frei sein würde. Doch die Freiheit erweist sich als begrenzt - überschattet von Asylverfahren, Schubhaft, Flüchtlingsheim und Diskriminierung.

Sechs Zentren in Österreich

Um Asylsuchenden in ihrer schwierigen Lebenssituation adäquate Hilfe anbieten zu können, gibt es inzwischen in sechs Landeshauptstädten Zentren für interkulturelle Psychotherapie: In Wien, Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Innsbruck können Menschen, die Asyl beantragt oder schon erhalten haben, professionelle Unterstützung bekommen, die sich ganz an ihren Bedürfnissen orientiert. Das bedeutet zum Beispiel, dass DolmetscherInnen zur Verfügung stehen und dass die TherapeutInnen sich bewusst auf diese sehr spezielle Lebenssituation einstellen.

Sicherheiten finden

Ein laufendes Asylverfahren bedeutet für sehr viele Menschen Jahre des Wartens und der Ungewissheit. Sie wissen nicht, ob sie hier bleiben können und ob sie je in diesem Land arbeiten dürfen. Sie wissen nicht einmal, ob sie vielleicht nächste Woche in ein anderes Flüchtlingsheim an einem ganz anderen Ort übersiedeln müssen.

In einer derart unsicheren Lebenssituation kann Psychotherapie zur Stabilisierung beitragen. Die Therapeutin versucht, einen Rahmen zu schaffen, in dem der Klient sich das Erlebte von der Seele reden kann und dabei nicht ins Leere fällt. Stärken und Ressourcen der betroffenen Person sollen wieder mobilisiert werden, auch wenn sie durch die belastenden Umstände der Flucht in den Hintergrund gedrängt worden sind.

Kultureller Kontext

Kultursensibel zu arbeiten bedeutet, sich auf die bisherigen Lebensumstände der KlientInnen einzustellen und die Kultur, aus der sie kommen, ernst zu nehmen. Wenn eine Klientin aus Afghanistan, aus dem Irak oder aus Nigeria in die Therapie kommt und über "ich als Frau" spricht, muss die Therapeutin wissen, was das in ihrem kulturellen Kontext bedeutet - und wenn sie es nicht weiß, muss sie es sich von der Klientin erklären lassen.

Sprachbarriere überwinden

Voraussetzung dafür, dass eine Therapie stattfinden kann, ist die sprachliche Verständigung. Die Zentren für interkulturelle Psychotherapie, wie zum Beispiel "Ankyra" in Innsbruck, stellen daher DolmetscherInnen zur Verfügung.

Diese müssen erst einmal lernen, mit den Schilderungen der Flüchtlinge umzugehen - Erzählungen von Folterungen oder Vergewaltigungen belasten die DolmetscherInnen mitunter noch lange nach der Therapiesitzung. Supervision oder eine Nachbesprechung mit der Therapeutin können helfen, sich davon wieder zu distanzieren.

Austausch

Das Zentrum "Ankyra" in Innsbruck ist eine Einrichtung des evangelischen Flüchtlingsdienstes der Diakonie. Im "Netzwerk für interkulturelle Psychotherapie nach Extremtraumatisierung“ arbeiten alle sieben österreichischen Einrichtungen zusammen. Gemeinsam professionalisieren sie das noch junge Arbeitsgebiet, tauschen Erfahrungen aus und machen Informationen für alle zugänglich, die interkulturell arbeiten.

Mehr dazu in Ö1 Programm

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Link
Diakonie - Ankyra
Caritas Salzburg - Oneros - Psychotherapie für Flüchtlinge
Hemayat - Verein zur Betreuung von Folteropfern
Omega Gesundheitsstelle
Aspis
zebra