Beobachtungen und Analysen

Der prähistorische Speisezettel

Wenn das Sprichwort stimmt, dass man ist, was man isst, dann erhält die Ernährung in der Evolution eine zentrale Bedeutung. Denn durch sie wurde aus den Vorformen des Menschen, den Hominiden, der Homo Sapiens.

Wovon sich die Vorfahren der modernen Menschen ernährten, ist nicht so einfach zu klären. Über vieles kann nur spekuliert werden, beispielsweise über die Rolle von Fleisch als Nahrungsmittel oder über den Zeitpunkt, wann Menschen erstmals Feuer verwendeten, um ihr Essen zu garen.

Zwei Strategien

In der Entschlüsselung der Essgewohnheiten der frühen Menschen verfolgen die Forscher im Wesentlichen zwei Strategien: Sie beobachten hohe Primaten wie Schimpansen und Gorillas und sie analysieren Fossilien. Allerdings haben selbst Primatologen, die ihre Tiere seit Jahren beobachten, haben Schwierigkeiten, die ganze Bandbreite der Ernährung der Tiere festzustellen, meint Bernard Wood, Professor für Paläoanthropologie an der George Washington University.

"Die Rekonstruktion der Ernährung ist nicht einfach. Die einzige Möglichkeit besteht darin, sich die verschiedenen Hinweise aus allen Bereichen anzusehen: Wo wurden die Knochen gefunden? Wie sah dieser Lebensraum damals aus? Welche Früchte und dergleichen hat es dort gegeben? Wie sehen die Zähne aus? Hatten diese Individuen Hände, mit denen sie Essen bearbeiten konnten? Wie weit konnten sie ihre Kiefer öffnen? Man muss sich also all diese verschiedenen Dinge ansehen und dann daraus Schlüsse ziehen."

Dabei, so Bernard Wood, sucht man nach Gemeinsamkeiten. Und wenn man Glück hat, deuten die Schlüsse aus den verschiedenen Bereichen alle in eine Richtung.

Form und Abnützung der Zähne

Der vermutlich älteste Zahn eines Frühmenschen ist zwischen sechs und sieben Millionen Jahren alt. An Zähnen lässt sich vieles analysieren: ihre Form, Abnützungen und ihre chemische Zusammensetzung, die durch die Ernährung beeinflusst wird.

Die Art und Weise dieser Abnützung liefert den Forschern Hinweise auf die Ernährung. Lange Rillen deuten beispielsweise auf den Verzehr von Pflanzen hin; Grübchen entstehen durch das Beißen von Nüssen und harten Früchten. Peter Ungar, Anthropologie-Professor an der University of Arkansas untersucht dies am Stammbaum des Menschen.

"Bei den frühen Vertretern der Gattung Mensch sehen wir eine Veränderung der Zähne: sie entwickeln mehr Relief und werden auch ein wenig schärfer. Die Australopithecinen passten sich den Umweltbedingungen so an, dass der Verzehr von zäherem Essen möglich wurde. Das kann vieles sein, unter anderem auch Fleisch", sagt Ungar.

Zwei unterschiedliche Dinge

Die Veränderung der Zähne lässt auch aus einem anderen Grund nur vage Aussagen zu: "Die Form eines Zahns sagt uns, wozu er dienen sollte. Seine Abnützungen zeigen uns, was ein Tier mit diesem Zahn tatsächlich gemacht hat. Das eine ist mit dem anderen nicht unbedingt identisch. Uns wird allmählich klar, dass wir uns nicht daran angepasst haben, was wir ständig tun, sondern daran, was für uns schwierig ist, selbst wenn das auch nur an einem Tag im Jahr nötig sein sollte", erklärt Ungar.

Fleischverzehr ist nicht an Feuer gebunden. Die Australopithecinen verzehrten es zunächst zweifellos roh. Hinweise auf kontrollierte Verwendung des Feuers sind nur etwa 800.000 Jahre alt.

Der prominente Primatologe Richard Wrangham stellte die Theorie auf, dass ein direkter Vorfahre, der Homo erectus, Feuer schon vor 1,9 Millionen Jahren verwendete und gekochte Nahrung verzehrte. Um etwa diese Zeit werden auch die Zähne der Frühmenschen kleiner. Was der Theorie vorläufig noch fehlt, sind die Beweise der Feldforschung.

Keine eindeutigen Ergebnisse

Eine letzte Möglichkeit, um mehr über die Nahrung der frühen Menschen zu erfahren und ob sie tatsächlich Fleisch aßen, ist die Analyse von Isotopen in den Knochen. Allerdings sind dabei irreführende Ergebnisse möglich. Denn es kann sein, dass sich die Nahrung des Beutetieres ebenfalls in der Knochenchemie niederschlägt.

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