Raus aus Hotel Mama

Abnabeln

"Meine Tochter braucht mich nur mehr zum Wäschewaschen!" Wie fühlen sich Eltern, wenn sich die Kinder von zu Hause lösen? Und wie geht es den jungen Erwachsenen, die es nicht erwarten können, sich endlich der häuslichen Kontrolle zu entziehen?

Der Weg in die Selbständigkeit ist eine wichtige Passage im Lebenslauf. Den Kindern versüßt die Freude auf ein selbst bestimmtes Leben den Abschiedsschmerz, während sich viele Eltern schwerer tun.

"Ich komme mir plötzlich sehr allein gelassen vor", meint etwa die Gymnasiallehrerin Kerstin Traar. Ihre zwei älteren Töchter, 19 und 15 Jahre alt, leben noch zu Hause. Der Alltag hat sich aber drastisch verändert, seit die älteste Tochter studiert: "Ich sehe meine Tochter nur mehr zwischen Tür und Angel. Meist ist es dann, wenn sie frische Wäsche oder Geld braucht. Gemeinsame Unternehmungen gibt es kaum mehr, und trotzdem muss der Kühlschrank immer voll sein." Wenn sie die finanziellen Möglichkeiten hätte, würde sie ihrer Tochter gerne eine eigene Wohnung zahlen, meint Kerstin Traar. "Auch wenn es schmerzt: Ich merke, dass ich da nicht egoistisch sein darf."

Abschied vom "Hotel Mama"

Einerseits leben Kinder heute früher ihren eigenen Lebensstil, andererseits lösen sie sich räumlich und materiell immer später von daheim. Durch großzügige elterliche Wohnungen ist es nicht Platznot, die sie zum Auszug zwingt, wie in früheren Zeiten. Auch die Moralvorstellungen haben sich geändert: die Partner der Kinder werden, manchmal zähneknirschend, in der elterlichen Wohnung gelitten. Außerdem machen es die längeren Ausbildungszeiten und die damit verbundene materielle Abhängigkeit schwer, sich früh vom elterlichen Heim zu lösen.

"Warum auch? Im Hotel Mama lässt es sich gut leben - es gibt Vollpension zum Nulltarif und immer frische Wäsche", meint Kerstin Traar. Für Tochter Katalin stellt es sich anders dar: "Ich weiß, ich darf nicht egoistisch sein und meine Familie einfach alleine lassen. Außerdem ist es auch eine finanzielle Sache. So eine eigene Wohnung belastet das Familienbudget."

Nesthocker sind meist männlich

"Mir hat es nichts ausgemacht, Hotel Mama zu sein", meint Helga Nagl. "Der Auszug meines Sohnes hat einige Zeit gedauert. Trotz der eigenen Wohnung hat er fast täglich zu Hause vorbeigeschaut". Heute haben sich beide ihrer Kinder räumlich und finanziell selbständig gemacht. Die Tochter mit 21, der heute 30-jährige Sohn mit 25 Jahren. Damit entsprechen sie genau dem Trend: Frauen ziehen im EU-Durchschnitt um vier Jahre früher von daheim aus als Männer. Mit 30 Jahren stellen immer noch etwa 15 Prozent der Männer, aber nur fünf Prozent der Frauen ihre Füße unter den elterlichen Tisch. Mit über 40 leben immerhin noch fünf Prozent der Männer im "Hotel Mama".

Schritt ins Leben

"Für mich war es leichter, dass meine Kinder ins Ausland gegangen sind. Ich glaube ich hätte mir schwer getan, wäre meine Tochter einfach so ausgezogen". Längere Zeit ins Ausland zu gehen war immer schon der Traum von Angelika Wildner. Was sie selbst nicht geschafft hat, ermöglichte sie ihrer mittlerweile 22-jährigen Tochter, die vor zwei Jahren zum Studium nach Paris ging. Ihr heute 21-jähriger Sohn verließ Österreich vor einem Jahr Richtung Israel. "In gewissem Sinn sind wir uns näher als vorher. Wir telefonieren, chatten oder schreiben E-Mails."

Für Angelika Wildner war der Auszug der zwei älteren Kinder auch eine Chance, wieder mehr Zeit für sich und für Nesthäkchen Andreas, 14, zu haben. Angst vor dem "empty nest" hat sie nicht: "Ich mache mir oft Gedanken über die Zeit, wenn alle Kinder aus dem Haus sind. Ich habe schon viele Pläne!"

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