Drei Brüder, drei Leben

Agnes und seine Brüder

In seinem neuen Film erzählt Regisseur Oskar Roehler die Geschichte dreier Geschwister und ihre Suche nach Liebe und Anerkennung. Eine Art "German Beauty" mit tragikomischen, absurden und realistischen Momenten.

Wieder einmal ist die Familie die Wurzel allen Übels, wenn drei Brüder in Oskar Roehlers neuestem Film ihre Vergangenheit wie einen mysteriösen Makel in der Gegenwart vor sich her wälzen. Da bemüht sich ein Transsexueller nach der Geschlechtsumwandlung um neuen Halt im Leben und stößt auf dunkle Erinnerungen des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit. Da versteigt sich ein - unverkennbar dem grünen Lager zurechenbarer - Politiker zunehmend in seine Karrierefantasien, und schließlich sucht ein völlig verklemmter, aber sexsüchtiger Bibliothekar Zuflucht bei einer Selbsthilfegruppe.

Von Melodram bis Satire

Regisseur Oskar Roehler erzählt drei Lebensgeschichten und wählt dafür drei unterschiedliche Genrezugänge: ein Melodrama, eine Tragikkomödie und eine grelle Satire. Die Wurzel aller Probleme liegt allerdings in der Figur des Vaters. Ein Motiv, das Roehler auch aus seiner persönlichen Familiengeschichte heraus entwickelt hat. Seine Eltern gehörten der 68er-Generation an, beide "waren im Prinzip Intellektuelle und sind in der Bewegung damals aufgegangen", erzählt er. "Wir sind alle so ein bisschen dem Ego-Trip unserer Eltern geopfert worden."

Die kleinen Verfehlungen des Alltags

Roehlers Interesse gilt aber weniger großen, moralisch offensichtlichen Problemen, sondern kleinen, menschlichen Verfehlungen im Alltag, die sich langsam, aber sicher zu schwerwiegenden Persönlichkeitsdefiziten verdichten. Diese zeigen sich im Voyeurismus auf der Damentoilette genauso, wie sich der Grün-Politiker frei nach der Devise "Links reden, rechts leben" an allzu bekannten Ritualen der Macht beteiligt. Mangelnde soziale Sensibilität, Opportunismus, Schrulligkeit, Ignoranz, Frust und steigende Gewaltbereitschaft lassen die Figuren den Blick für Wesentliches verlieren.

Aus Figuren werden Karikaturen

Drastische Überzeichnung ist wie immer bei Oskar Roehler auch ein wichtiges Gestaltungsmittel. Wenn Roehler bürgerliche und kleinbürgerliche Lebenszusammenhänge als Spießerattitüden entblößt, dann werden aus Figuren böse Karikaturen. Manchmal überaus treffend, aber immer wieder auch jenseits der Grenze zu den Klischees, die zu brechen sie vorgeben.

Agnes und seine Brüder
D, 2004
Mit: Martin Weiß, Moritz Bleibtreu, Vadim Glowna, Herbert Knaup, Tom Schilling
Drehbuch und Regie: Oskar Roehler