Emotionen im Brennpunkt der Wissenschaft

Balance der Gefühle

Was treibt leidenschaftlich Liebende, ihr Leben radikal zu verändern, Konventionen zu durchbrechen, Sicherheiten wider alle Vernunft aufzugeben. Die Funktionsweise menschlicher Emotionen rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Wissenschaft.

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann über die Liebe

Lange Zeit blieb die Beschreibung und Interpretation der Gefühlswelt der Literatur, der bildenden Kunst, dem Theater vorbehalten. Analysiert wurde dies dann von den Geisteswissenschaftlern. Doch seit einiger Zeit sind Gefühle auch ein spannendes Thema für Hirnforscher. Einer der bedeutendsten Vertreter diese Disziplin ist Antonio Damasio. Er vertritt die These, dass Denken ohne Fühlen nicht vorstellbar ist und das Zusammenspiel beider nicht ohne die Signale des Körpers.

Lust ist nicht gleich Lust

Zunächst steht jedoch die Frage im Mittelpunkt um welche Art von Phänomen es sich handelt, wenn wir von Emotionen sprechen. Den für die Wissenschaftler ist z. B. Lust nicht gleich Lust. Sie treffen eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Lust auf etwas und Lust bei etwas. Also, zwischen den Empfindungen, die wir haben, während wir etwas anstreben, und dem Gefühl, das wir verspüren, wenn wir das Ziel erreicht haben.

Außerdem sind für sie Lust und Liebe keineswegs Selbstzweck, sondern das Erstreben ganz handfester biologischer Ziele. Und sexuelle Lust entwickelte sich, so sagen die Naturwissenschaftler, nicht zum persönlichen Vergnügen, sondern zur Förderung der Reproduktion; genauso, wie Lust auf Schokolade im Dienst der Ernährung steht.

Und auch die weiter gehenden Empfindungen, die gemeinhin mit dem Etikett "Liebe" versehen werden, können für die Wissenschafter, ihren biologischen Hintergrund nicht verleugnen: Sie helfen, eine Bindung zwischen Partnern zu etablieren und aufrechtzuerhalten.

Gefühle als Sinnesorgan

Die Emotionen, so zeigt die Erkenntnis der Neurobiologen, haben ihren Ursprung nicht nur im Kopf allein. Sie sind vielmehr aufs Engste mit dem Körper verwoben. Antonio Damasio betrachtet die Gefühle sogar als eine Art Sinnesorgan, mit dessen Hilfe das Gehirn beständig den Zustand des zu ihm gehörenden Organismus beobachtet. Die Wahrnehmung dieser Signale, so Antonio Damasio weiter, werde dann als Gefühl wahrgenommen.

Was Dichter und Philosophen schon lange wissen und Künstler als Arbeitsgrundlage haben ist nun auch in das Denken der Naturwissenschaftler eingegangen. Sie gehen nun davon aus, dass den Gefühlen eine Schlüsselrolle beim Verständnis des Bewusstseins zu kommt und, dass dies wissenschaftlichen Analysen zugänglich ist.

Fünf Universalgefühle

Antonio Damasio spricht in seiner Kategorisierung von fünf Universalgefühlen, die dem Menschen angeboren sind. Sie lauten: Glück, Traurigkeit, Wut, Furcht und Ekel. Daraus leitet er alle Empfindungsarten ab. Euphorie und Ekstase sind für ihn Spielarten des Glücks, Panik und Schüchternheit Varianten der Furcht. Um derlei Theorien experimentell zu untermauern, versuchte Damasio die Gefühlsschwankungen mit einem Gefühlsbarometer messbar zu machen.

Der Körper als Messinstrument des Gehirns

Auf eine Vielzahl von Experimenten gründet Damasio seine Theorie, dass das Hirn in einem Dauerdialog mit dem Körper stehe. Damasio meint aber auch, dass das Hirn den Körper als Messinstrument für seine Entscheidungen benutze und aus den Daten von Blutdruck, Hormonpegel oder Herzschlag nicht nur einen ständigen Befindlichkeitsbericht des Körpers errechne.

Vielmehr, so sagt der Neurologe, benutze das Hirn den Körper auch als Messinstrument für seine Entscheidungen. Vorher checkt es aber noch die verschiedenen Vorschläge die der Körper macht, ab. Testweise werden dann Vorstellungen von den möglichen Konsequenzen erzeugt. Was passiert beispielweise, wenn man ein Eis isst oder lieber eine heiße Schokolade trinkt. Diese Vorstellungen lösen wiederum Gefühle und somit körperliche Reaktionen aus, die vom Hirn sorgfältig registriert und ausgewertet werden.