Wilbur begeht Selbstmord - fast
Wilbur wants to kill himself
Eine wundersame Liebesgeschichte und ein Krankheitsdrama rund um zwei gegensätzliche Brüder verbindet die Regisseurin Lone Scherfig in ihrem neuesten Film. Scherfig hatte zuletzt mit "Italienisch für Anfänger" auf sich aufmerksam gemacht.
8. April 2017, 21:58
Was Wilbur auch probiert, sein Selbstmord will und will nicht gelingen. Schon wieder wurde er gerettet.
Ob mit Gas, einem Strick, Tabletten oder einer Rasierklinge, an der Vielfalt der Methoden, mit denen sich der junge Wilbur umzubringen versucht, mangelt es nicht. Doch immer wieder scheitert Wilbur an seinem Vorhaben. "Mit jedem Mal Überleben wird es deprimierender," beschwert sich Wilbur bei seinen Rettern.
Vor allem Bruder Harbour ist schuld an der fortschreitenden Depression. Harbour ist aber nicht nur Wilburs unfreiwilliger Schutzengel, sondern auch sein mentales Korrektiv. Er steht dem Leben positiv gegenüber, wird aber selbst mehr und mehr durch eine Krebskrankheit mit dem Sterben konfrontiert.
Paradoxe Situation
So unterschiedlich die beiden Brüder auch sein mögen, so sehr haben sie eines gemeinsam: Beide lieben dieselbe Frau. Weil Harbour aber die Geliebte heiratet, ergibt sich aus seinem Sterben eine paradoxe Situation: So schlimm der unaufhaltsame Tod Harbours auch sein mag, für Wilbur eröffnet er eine klare Zukunftsperspektive und damit den notwendigen Sinn im Leben.
Gepflegte Morbidität
Leben, Liebe, Tod, Glück und Unglück. Die dänische Regisseurin Lone Scherfig fasst diese universellen Themen in einen überschaubaren Erzählrahmen zwischen Komödie und Tragödie. So ernst die Grundabsichten der Geschichte - den Sinn des Lebens im Angesicht des Todes erkennen - auch sein mögen, so sehr werden sie durch schwarzen Humor immer wieder gebrochen. Launig-absurde Angriffe erweisen sich als die beste Verteidigungsstrategie gegen das drohende Schicksal, dem Tod trotzt man vor allem durch gepflegte Morbidität.
Überstrapazierung der Skurrilität
Von den ästhetischen und formalen Regeln der Dogma-Filmbewegung, nach dem Scherfigs Erfolgsfilm "Italienisch für Anfänger" entstanden ist, hat sich die dänische Regisseurin weit entfernt. Anstelle von Handkamera und Improvisation setzt Scherfig hier auf langsame Kamerafahrten, sorgfältige Arrangements von Darstellern und Kulissen und eine düstere, fast monochrome Farbgestaltung.
Scherfig trifft damit den beabsichtigten melancholisch-ironischen und Grundton der Geschichte, neigt aber - neben einigen rührseligen Momenten - zur Überstrapazierung der allzu bewusst inszenierten Skurrilität. Womit eine der Stärken des Films bisweilen zu einem Schwachpunkt wird.
Wilbur wants to kill himself
(Wilbur begar selvmord)
Dänemark/Großbritannien, 2002
Jamie Sives, Shirley Henderson, Adrian Rawlins, Lisa McKinlay
Drehbuch und Regie: Lone Scherfig