Los von Wien
Zurück in die Moderne
Bauwerke, wie der Hradschin begründen den Ruhm Prags - eine der schönsten Metropolen der Welt. Die Werkbundsiedlung oder das Zentralgebäude der Mustermesse sind weniger bekannt. Sie zeigen, dass Prag auch ein Zentrum der modernen Architektur ist.
8. April 2017, 21:58
Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 versuchten die Architekten in Prag dem kosmopolitischen Art-Nouveau-Stil der Jahrhundertwende einen nationaltschechischen Stil entgegenzusetzen.
Dieser "Rondokubismus" war jedoch nicht von langer Dauer. Die modernen Architekten fanden ihre eigentlichen Aufgaben in einer neuen sozialen Rolle der Baukunst, die in wegen der Stadterweiterung Prags notwendig gewordenen urbanistischen Konzepten und Wohnbauprogrammen ihren Ausdruck fand. Frank Lloyd Wright, Hendrik Petrus Berlage, der bei der Erweiterung Amsterdams eine große Rolle spielte, und natürlich le Corbusier lieferten Anregungen: Es entstand der tschechische Funktionalismus.
Brünn: Das zweite Zentrum der tschechischen Moderne
Zur selben Zeit machte in der jungen Republik eine zweite Stadt verstärkt auf sich aufmerksam: Brünn, die Hauptstadt Mährens, die Stadt von Leos Janacek und Gregor Mendel: Brünn wurde zu einem zweiten Zentrum der tschechischen Moderne.
In einer amerikanischen Zeitschrift von 1932 wurde es als eine der "Capitals of Modernism" bezeichnet. Großen Einfluss übte in Tschechien die Werkbundidee aus, die - in Deutschland entstanden - in Musterbauten ihre Konzepte vorlegte. Die Werkbund - Ausstellung "Novy dum - Neues Haus" wurde 1927/28 in Brünn erbaut. 1932 entstand In Prag die Siedlung Baba. Mit Blick auf Moldau wurden 32 Einfamilienhäuser von Bauherren aus der bürgerlichen Mittelschicht, die sich ihre Architekten, die Mitglieder des tschechoslowakischen Werkbundes sein mussten, auswählen konnten.
Zwei Ikonen der Moderne
Adolf Loos war der einzige österreichische Architekt, der nach 1918 in der Tschechoslowakei Gehör gefunden hatte. Das Haus Müller war sein letztes Meisterstück, es wurde 1928-1930 gebaut. Das Haus, das für den Bauunternehmer Frantisek Müller gebaut wurde, steht im Norden von Prag im Stadtteil Stresovice.
Der Loos'sche Raumplan wurde hier am konsequentesten umgesetzt: die Halle, das Esszimmer und das Damenzimmer liegen alle auf verschiedenen Ebenen. Loos verwendete edle Materialien, etwa grünen Cipollino-Marmor, Mahagoni und Satinholz. Die Restaurierung, die im Jahr 2000 fertiggestellt wurde, ist auf sehr authentische Weise gelungen. Man konnte sogar jene Firmen, die an der Originalausstattung mitwirkten und seit damals noch existieren, aufreiben, damit die Originaleinrichtung neu geschaffen werden konnte.
Das Haus Tugendhat
Das Haus Tugendhat in Brünn gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. Grete und Fritz Tugendhat, jüdische Textilunternehmer in Brünn, ließen das Haus 1929/30 von Ludwig Mies van der Rohe erbauen.
Die grandiose Raumkonzeption Van der Rohes erschließt sich erst, wenn man den großen, gegen den Park hin offenen, durch eine fünf Meter lange Glaswand begrenzten Raum, betritt, einen Raum, von dem Grete Tugendhat sagte, dass es wie die Harmonie in der Musik sei, wenn man sich in ihm bewege. Der Raum war in offene Funktionszonen unterteilt: Esstisch, Sitzgruppe, Arbeitsplatz, Bibliothek, getrennt durch eine makassarfurnierte Holzwand, oder eine kostbare Onyxwand.
Nach der "Samtenen Revolution"
Als Widerstand gegen die Plattenbauweise, die Tschechiens Baugeschichte in den 70er und 80er Jahren dominierte, favorisierten die tschechischen Architekten postmodernes Bauen. Das spielt auch heute noch eine große Rolle.
In den letzten Jahren entstanden Geschäftshäuser, Bankpaläste, Versicherungspaläste, Hotels: Architektenstars wurden aus dem Westen nach Prag geholt. Der Franzose Jean Nouvel verbaut beispielsweise Teile des ehemaligen TATRA-Firmen-Geländes in Praha - Smichov. Teile davon sollten als Industriearchitektur bewahrt werden, was allerdings nicht gelang.
Am Moldauufer, nahe dem Nationaltheater, entstand eine neue Landmark: "Tancici dum", das "Tanzende Haus" oder "Ginger und Fred", das Frank Gehry, der Bilbao mit dem Guggenheim-Museum zu Weltruhm verholfen hatte, erbaute: zwei Bürotürme, deren einer, in den Gehsteig hineinragend, Schwung und Eleganz tanzender Menschen anklingen lässt.
Buch-Tipps
Daniela Hammer-Tugendhat / Wolf Tegethoff (Hrsg.), "Ludwig Mies van der Rohe: Das Haus Tugendhat", Springer Wien, New York, ISBN 3211830960
Stephan Templ, "baba - Die Werkbundsiedlung Prag", Birkhäuser, Prag, ISBN 3764359919
Links
Werkbundsiedlung Baba
Müllerova vila
Haus Müller
Villa Tugendhat