Esst mehr Kuchen!

Schmeckt nicht, gibt's nicht

Nachdem sie Jamie Oliver mit einem alten VW-Bus samt Anhänger durch Italien gurken ließen, muss es jetzt richtig weh tun. Der nächste britische Koch wurde in die weite Welt geschickt. Diesmal jedoch an diverse Krisenherde. Auch dort muss man essen.

Vor einiger Zeit bin ich zwischen dem abendlichen Vorschläfchen und dem fastnächtlichen Nachschläfchen auf meinem Sofa aufgewacht und mein Fernseher zeigte eine BBC-Serie. Ein britischer Koch wurde an schwierige Orte geschickt und sollte dort in sämtliche Töpfe schauen: "Kochen am Krisenherd".

Vom afghanischen Fernseher eingeladen, in einer Kochsendung etwas zu kochen, bereitete der Brite Korianderpesto zu. Er erwähnte, er hätte die halbe Nacht nach einem passenden Rezept gesucht und überlegt. Meiner Meinung haarscharf das, worauf alle in Kabul gewartet haben: Eine Anleitung zu einem Pesto.

Während die UNO-Nahrungspakete nicht einmal alle Notdürftigen in Afghanistan erreichen, weil es einfach nicht ausreichend Packerl gibt, mixt ein Europäer im landeseigenen Fernsehen Nusskerne mit Parmesan und moniert humorvoll, dass der Mixer wohl auch schon ein älteres Modell sein. Gibt es denn keine Zweigstelle von Moulinex in der afghanischen Hauptstadt? Mag wohl daran liegen, dass es nicht einmal 24 Stunden verlässlich Strom gibt - da wird schnell ein Haushaltsgerät sinnlos.

Das Porträt des Krisenherdes Afghanistan war breit gefächert. Zwischendurch war das Team auch in einem armen Lehmdorf zu Gast, interviewte eine noch ärmere Witwe, die ihre Kinder mit ausländischen Nahrungsspenden - ausschließlich bestehend aus Weizen, Linsen und Öl - täglich gerade so einmal ernähren kann. De facto eigentlich kaum bis gar nicht. Sie erzählt, dass sie natürlich lieber Fleisch essen würden, aber woher nehmen?

Ich saß also verschlafen auf meinem italienischen Sofa in meiner Wohnung und habe ferngesehen, wie ein so wie ich verwöhnter Brite aus purer Neugierde noch nachfragte, ob er das Linsendahl und die Pita nicht kosten könnte. Mhm, das schmeckte! So ein Glück für alle Beteiligten.

Ich frage mich, ob das von wirklichem Interesse war. Ob es nötig ist, zu erfahren, ob es auch noch mundet. Ob irgendeine Fernsehkamera in die hinterste Lehmhütte im hintersten Tal der Armut diese auch noch dokumentieren muss - ohne etwas nachhaltig ändern oder helfen zu können. Nein, nicht wegschauen, aber Würde bewahren.

Ich erinnere mich, während ich in der Weltpolitik meines abonnierten Wochenmagazins blättere, an die Vorschau der nächsten Folge des Krisenherd-Kochens. Tschernobyl. Da ist wieder der englische Star-Koch Stefan Gates unterwegs, lässt Schwammerl aus dem Wald rund um den ehemaligen Atomreaktor untersuchen und erfährt, dass diese nicht mehr verzehrbar wären, ja, die Verstrahlung läge sogar achtmal über den erlaubten Werte. Ob die Einheimischen alle testen? Es stellt nicht nur einen technischen Luxus dar...

Im Heft gibt’s übrigens ein Gespräch. Der Eine plädiert, dass alle auf der Welt Recht auf Essen hätten und es rein theoretisch auch genug geben würde, während der andere Interviewpartner sagt, er würde sowieso nur mehr Bressehühner kaufen. Da würde das Kilo zwar 27 Euro kosten, aber die Viecher würden wenigstens anständig hochgezogen. Das könnte man schmecken! Leuchten wahrscheinlich nicht so im Dunkeln wie die Eierschwammerl oder schmecken weniger staubig als Linsensuppe. Ist ja einzusehen.

TV-Tipp
Weltjournal Spezial, Der Gastronaut, Mittwoch, 22. August 2007, 22:30 Uhr, ORF 2

Links
The Gastronaut
Cooking in the Danger Zone
kundendienst.ORF.at - Vierteilige Reportage "Der Gastronaut"
tv.ORF.at - Stefan Gates über Stefan Gates