Was einmal gut ist, kann zweimal nur besser sein
Weihnachten 2009
Auch wenn Weihnachten wieder einmal Umsatzrekorde brachte: Die Ökonomie schwächelt, ganze Branchen sind angeschlagen. Traditionsreiche Firmen wanken, altehrwürdige Unternehmen stehen am Abgrund. Doch es gibt Rettung!
8. April 2017, 21:58
Wenn sie dies lesen (nicht während ich es schreibe), sollte die Hektik ja vorbei sein. Sollten Sie nämlich am 24. Dezember noch besinnliche Einkäufe machen, dann lesen Sie mich wohl nicht. Zu Weihnachten hat man Anderes zu tun, als Kolumnen zu lesen. Ich kann das verstehen.
Eine der Eigenheiten des Medienberufs ist ja, dass man ständig verkehrt herum unterwegs ist: Während Sie auf Urlaub oder im Wochenende weilen oder einen der zahlreichen österreichischen Feiertage genießen, produzieren wir Journalisten, was Sie nach Ihrer Rückkehr zu sehen, zu hören oder zu lesen bekommen. Die Welt macht keine Pause, die Medien auch nicht. Das gilt in der Badesaison genau so wie in der weihnachtlichen. Nicht weiter tragisch, man gewöhnt sich dran. Und, offen gesagt: Wir verdienen dabei ja auch.
Das haben wir mit anderen kulturellen Berufsgruppen gemeinsam. Musiker und Schauspieler etwa arbeiten durchwegs nächtens, während normale Leute ins Theater oder ins Konzert gehen. Und auch diese Leute verdienen, offen gesagt, nicht schlecht.
Schon an diesen Beispielen zeigt sich: Arbeiten zu besinnlichen Zeiten bringt Umsätze. Erst recht gilt das beispielsweise für den Buchhandel: Während Sie sich dem beschaulichen Advent hingeben, macht der Buchhandel das Geschäft des Jahres. Die Hälfte bis zwei Drittel seines Jahresumsatzes entfällt auf die dreieinhalb Wochen zwischen 1. und 24. Dezember. Der Anteil schwankt ein wenig, abhängig von Größe und Standort der Buchhandlung. Grund: Wenn man ein Buch lesen will, weiß man ja meist, welches. Und kauft es im Laden ums Eck. Ist es nicht lagernd, erfolgt die Anlieferung dank motorisierter Transportmittel binnen 12 Stunden. Es lohnt sich nicht, eigens sonstwo hinzufahren.
Bei zu verschenkenden Büchern hingegen weiß keiner, welches es sein soll. Da braucht der Käufer die große Auswahl, und die findet er in den innerstädtischen Großbuchhandlungen. Wie gesagt, das macht sich statistisch bemerkbar, in diesen Geschäften werden zwei Drittel aller Bücher zu Weihnachten verkauft, bei den anderen ist's nur die Hälfte.
Bei CDs ist die Lage ähnlich, bei DVD-Filmen nicht anders. Das Problem dieser Branchen ist freilich, dass sie sich ohnehin in einer misslichen Situation befinden. Das Internet hat hier alle Geschäftsmodelle über den Haufen geworfen. Die Leute laden ihre Soundz, wie Musik neuerdings heißt, aus dem Netz.
Dazu gab's voriges Jahr ein Experiment mit interessantem Ausgang. Die Rockband Radiohead, die als avantgardistisch gilt, verzichtete darauf, ihre neue CD als CD zu veröffentlichen. Die britischen Art-Rocker stellten ihr Werk gleich zum Download ins Netz. Bezahlen durfte jeder, so viel er wollte, wer nicht wollte, auch gar nichts. Eine Art besserer Spendenaufruf. Nach zweieinhalb Monaten lag das Ergebnis vor: Etwa 40 Prozent der Musikfreunde zahlten für den Musikbezug, jeder davon durchschnittlich sechs Dollar. Bezogen auf alle Downloads macht das in Bucks 2,60 pro. Klingt nicht nach viel, aber man muss wissen, dass die Musiker von den Plattenfirmen nur etwa einen Dollar je verkaufter CD abbekommen. Rechnet man ein, dass nicht jeder Downloader auch die CD gekauft hätte, dann lagen die Einkünfte der Künstler gut beim Drei- bis Vierfachen dessen, was sie über den herkömmlichen Vertriebsweg eingenommen hätten. Wenig erstaunlich, dass die Musikindustrie kränkelt.
Seit geraumer Zeit versucht diese ja, ihre Krankheit durch Massenklagen gegen "illegale" Downloads zu kurieren. Das wird nicht funktionieren, wage ich angesichts der genannten Zahlen zu prophezeien. Es gibt aber etwas, das der Musikindustrie und noch einigen anderen helfen könnte, und das würde ich auch vorschlagen: die Verdopplung des Weihnachtsfestes. Ein zweites Weihnachten im Sommer: Zum Verschenken braucht man die Original-CD, die selbstgebrannte sieht ja mickrig aus.
Ohne Frage wäre damit auch der Buchhandel zufrieden, siehe oben. Und wahrscheinlich werden auch Feuerwehr, Polizei und Rettung die Einführung eines zweiten Weihnachtsfestes unterstützen. Auch das sind Berufsgruppen, die dann arbeiten, wenn normale Leute feiern, und zu Weihnachten sind sie besonders gut beschäftigt. Dass die besinnlichen Christbäume in den beschaulich geschmückten Wohnzimmern in erheblicher Zahl in Flammen aufgehen, und daher die Feuerwehr zu tun hat, ist ja klar.
Dann sind da noch die Postler. Die österreichische Post findet sich im rauen Klima des Wettbewerbs wieder, sie wurde teilprivatisiert, zugleich wurde ihr Monopol bei der Paketbeförderung abgeschafft. Prompt vergibt das größte Versandhandelshaus Österreichs seine Pakete nun an einen Konkurrenten, der irgendetwas besser zu machen scheint. Was für die Post schmerzliche Umsatzeinbußen, Arbeitsplatzverluste etc. mit sich bringt. Mehr Pakete und Glückwunschkarten müssen her. Die Lösung: ein zweites Weihnachtsfest.
Welch segensreiche Auswirkungen ein zweites Weihnachten auf die Papierindustrie und das Druckereigewebe (Geschenkpapiere), die darbende Erdölindustrie (Kerzen, Plastiksackeln) und die Karpfenzüchterei haben wird, können Sie sich ja selbst ausmalen. Vor allen anderen wird natürlich die Müllbranche profitieren, die unter der modernen, überall durchgezogenen Müllvermeidung ja schwerst leidet. Und sogar das Internet wird noch seinen Anteil abbekommen, namentlich die bekannte Second-Hand-Plattform mit der Bucht im Namen: Dort werden all die Geschenke wieder verkauft. Was sollte man sonst damit machen?
Ich wünsche Ihnen also ein frohes Fest und überlegen Sie's sich: Was einmal gut ist, kann zweimal nur besser sein. Auf ein Neues im Sommer!