Kleinkunst 2007
Gröbster Unfug
Am Silvesterabend lädt ein zu einem Blick zurück, zurück auf herausragende Kleinkunstereignisse des ausklingenden Jahres, auf die unterhaltsamsten und bemerkenswertesten Augenblicke der vergangenen Kabarettsaison, die jede Menge zu bieten hatte.
8. April 2017, 21:58
Roland Düringer tauscht Hubraum gegen Wohnraum
Zu Gast "Beim Gusenbauer" war die Künstlergruppe maschek in diesem Jahr gleich in zwei Produktionen. Für ihre humorvollen Anstrengungen, gemeinsam mit dem Original Wiener Praterkasperl im nachgebauten Kanzlerbüro die Puppen tanzen zu lassen, wurden maschek mit dem Programmpreis des Österreichischen Kabarettpreises prämiert.
Wenn ich daran denke, dass genau hier der Kreisky schon einmal gesessen ist... dann wird er sich gedacht haben: Wer wird einmal in meine Fußstapfen treten können? Vielleicht dieser eine talentierte Mensch? Der gefällt dem Sonnenkönig gut. Weil der ist ganz so wie der Kreisky auch einmal war. Ein junger Revolutionär mit sozialem Gewissen. Oder, wenn dieser Cap nicht möchte, dann könnte man vielleicht auf diesen einen aus Ybbs zurückgreifen. Weil der ist zumindest ehrgeizig.
Maschek, das sind Peter Hörmannseder, Ulrich Salamun und Robert Stachel. Politik als Kaspeltheater zu präsentieren, darin haben die drei Herren schon Übung. Bereits Bundeskanzler Schüssels Büroaktivitäten wurden von maschek auf die Kasperlbühne gebracht. 2007 galt ihre Aufmerksamkeit seinem Nachfolger, Alfred Gusenbauer.
Zwischen Hippie und Yuppie
Der Hauptpreis des Österreichischen Kabarettpreises ging an Andreas Vitásek für sein Solo "My Generation", eine gelungene Rückschau auf österreichische Verhältnisse in den 1970ern und auf die Adoleszenz der heute 50-Jährigen.
"Ob es meine Generation gibt, war ich mir gar nicht so sicher, darum habe ich auch das Programm geschrieben", erzählt Vitásek. "Die Frage war: Bin ich eine Einzelerscheinung oder gibt es eine Generation nach der 68er-Bewegung, aber vor den Yuppies? Irgendwas zwischen Hippie und Yuppie. Und nach den ersten Rückmeldungen von Menschen, die gesagt haben‚ ja, genau, das habe ich auch so erlebt, dürfte es diese Post-68-Generation wohl geben. Eine Generation, die 1968 nicht mehr miterlebt hat, die das nur aus zweiter Hand kennt, aus Filmen und Büchern. Und wie immer wird alles aus zweiter Hand ein bisschen verklärt - Steine werfen in Paris im Mai 1968, mit Sartre diskutieren - das klingt alles sehr gut, aber selber erleben ist doch besser."
Die Gießkanne im Regen
Was empfindet eine Gieskanne, wenn Sie im Regen steht?, wollte der Wiener Klaus Eckel wissen und widmete sein aktuelles Programm den Alltagsgegenständen, die uns umgeben, und die von uns so gerne übersehen werden. Wer denkt denn im Zeitalter der elektronischen Datenvermittlung schon über das Schicksal eines Briefbeschwerers nach.
Klaus Eckel, der für die Auswüchse unserer Konsumgesellschaft stets ausreichend Spott bereithält, hat sich den stummen Dienern unserer unmittelbaren Umgebung angenommen. "Helden des Alltags" nannte er sein Programm über die unbedankten Gegenstände und erspielt sich damit im Mai den Salzburger Stier für Österreich.
Wohnraum statt Hubraum
Wenn Roland Düringer auf eine Bühne geht, dann will er auch etwas erleben. Dafür ist er durchaus bereit, sich dem Publikum bis zu einem gewissen Grad auszuliefern. So geschehen bei seiner aktuellen Werkschau namens "Einzelstück".
Drei ganz unterschiedliche Koffer bringt der Kabarettist zu Beginn des Abends mit auf die Bühne. Die Inhalte dieser Koffer stehen für Erinnerungen; Erinnerungen an früherer Programme, an Stilmittel, an Grundthemen. Mit der Wahl, welches Gepäckstück geöffnet werden soll, bestimmt das Publikum den inhaltlichen Verlauf des Abends. Vermutlich gibt es wenige Kabarettisten, die diese Art der Konfrontation mit den Zuschauern nicht nur mögen sondern auch bravourös bewältigen. Doch Roland Düringer lässt seine Werkschau jeden Abend zu einem ganz speziellen "Einzelstück" werden.
"Ich erkläre gleich am Anfang, welche Möglichkeiten es bei meinem Abend gibt", so Düringer. "1.)Ich könnte den Koffer selbst bestimmen und aufmachen. 2.) Es gibt die Möglichkeit, dass einer aus dem Publikum diese Funktion übernimmt und bestimmt, welcher Koffer geöffnet wird. Das ist die Situation, die unserem Leben am nächsten ist - wir haben Parteien, Minister, die bestimmen, was durchgesetzt wird. Dann biete ich noch als dritte Variante die wirkliche Demokratie an, dass alle mitentscheiden. Nach Stärke des Applauses ist es ja messbar, welcher Koffer vorgezogen wird. Was ich aber dazusage - ich weiß schon zuvor, wofür sich die Leute entscheiden werden, ich kann steuern, durch Lichteffekt und auch dadurch, wie ich die Koffer auf der Bühne aufstelle. Und ich finde, as ist eine schöne Parabel auf das Leben. Man glaubt nämlich nur, dass man individuelle Entscheidungen trifft. Vieles ist aber gesteuert."
Papiertiger
Wer kann sich noch an die Namen aller Regierunsgmitglider der – sagen wir - vergangenen sieben Jahre erinnern? Thomas Maurer kann es. Kein Wunder, schreibt er doch in seiner wöchentlichen Zeitungskolumne über unterschiedlichste Abenteuer aus dem politischen Alltag in Österreich. "Im Wendekreis der Wende" nennt der Kabarettist seine Textsammlung, eine retrospektive und atmosphärische Bestandsaufnahme der politischen Aktivitäten in Österreich beginnend mit dem Jahr 2000.
Aus seinen gesammelten Kolumnen hat der Kabarettist einige ausgewählt und zu einem Leseprogramm zusammengestellt. Ein "Best of the Best" von Thomas Maurer, der sich seinem Publikum als Papiertiger präsentiert. "Wer es nicht zustande bringt, einen Trademark-Smile zu entwickeln, ist in der Politik arm dran", meint er. Die Kolumnensammlung "Im Wendekreis der Wende" ist im Czernin-Verlag erschienen.
Droschken-Knef statt Fiaker-Milli
Irmgard Knef, Hildegards verkannte Zwillingsschwester, stellte im RadioKulturhaus ihr neues Wienerlieder-Programm vor: "Heut kommt die Irmgard auf Urlaub nach Wean". Der Berliner Schauspieler und Entertainer Ulrich Michael Heissig verkörpert die Figur der 82-jährigen Knef-Schwester seit Jahren mit Grandezza. Für ihr Wien-Special soll Irmgard angeblich noch schnell einen Sprachkurs besucht haben: Wienerisch für eine eingefleischte Berlinerin. Ohne das künstlerische Erbe der Fiaker-Milli anzutreten zu wollen, öffnet Irmgard ihr ganz persönliches Wien-Tagebuch und singt sich durch die Klassiker der österreichischen Bundeshauptstadt.
Du sagst Marille – ich sag Aprikose
Du sagst 'wie fad', ich sag tote Hose
Marille, Aprikose, fad, tote Hose
Sprachlich geht sich das nicht aus
"Heut kommt die Irmgard auf Urlaub nach Wean" – irmgard Knefs Wienerlieder-Abend, ist auch auf CD nachzuhören, erschienen in der Ö1 Kabarett-Edition und erhältlich im Ö1 Shop.
Hör-Tipps
Gröbster Unfug, Montag, 31. Dezember 2007, 14:05 Uhr
Kabarett indirekt, Montag, 31. Dezember 2007, 16:05 Uhr
Alles zurück, ein kabarettistischer Jahresrückblick von Lukas Resetarits, Montag, 31. Dezember 2007, 18:05 Uhr
Links
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