Gesammelte Werke mit Ergänzungen aus dem Nachlass

Clemens Eich

Das Werk des 1998 verstorbenen Lyrikers, Erzählers und Dramatikers Clemens Eich wurde von seiner Witwe Elisabeth Eich und Ulrich Greiner in zwei Bänden zusammengefasst. Ergänzt wurden die Bände mit Texten aus dem Nachlass Eichs.

"Alles rückt / näher. / Alles. / Hoffnungen, / Tod. / Alles", schrieb Clemens Eich 1994, vier Jahre vor seinem Tod.

"Alles ist Zweifel am Geist / ist Verzweiflung am Geist / ist Trost am Geist", erkannte er 1982, in dem Gedicht "Der doppelte Traum".

"Geschenk des Himmels, ich lebe auf, / die Hieroglyphen schweigen, / grau breitet sich der Mantel aus", dichtete er 1967 als 13-Jähriger, in einem seiner "Sechs Gedichte für Papa".

Drei Ausschnitte aus dem lyrischen Werk des früh verstorbenen Clemens Eich, bislang unveröffentlichte Zeilen. Jetzt sind sie erstmals publiziert: in den "Gesammelten Werken", einer zweibändigen, 760-seitigen Ausgabe, herausgegeben von dem Literaturkritiker Ulrich Greiner und der Witwe des Autors, Elisabeth Eich. "Ich habe den doch sehr umfangreichen Nachlass von Clemens geordnet und weitergegeben, und da wurde eine Auswahl getroffen. Diese Werkausgabe ist wunderbar geworden", meint Elisabeth Eich.

Eine Welt der Abgründe

In zwei dunkelblauen Bänden steckt nun "der ganze Clemens Eich", das Werk des Lyrikers, Erzählers und Dramatikers: von seinem Debüt mit dem Gedichtband "Aufstehn und gehn" aus dem Jahr 1980 bis zu dem Roman "Das steinerne Meer", von den unter dem Titel "Zwanzig nach drei" publizierten Prosatexten bis zu den Fragment gebliebenen "Aufzeichnungen aus Georgien", die 1999, im Jahr nach Eichs Tod, erschienen.

Erstmals veröffentlicht werden ein Theaterstück des früheren Schauspielers mit dem Titel "So" und ein paar Dutzend Gedichte, die frühesten dem Vater, Günter Eich, gewidmet, die spätesten von 1996.

Die Welt des Clemens Eich, wie sie die "Gesammelten Werke" vorstellen, ist keine gemütlich-freundliche. Es ist eine Welt der Alpträume und Abgründe, der Halluzinationen und Beklemmungen, der Ängste, der Verletzungen, der "aufsteigenden Traurigkeit". Von den "Dunkelkammern der Seele" ist in diesen Texten die Rede, vom Gift, das das Herz erreicht, vom näher rückenden Tod.

Meister der Lakonie

Auch wenn seine Texte um Existenzielles kreisen, bedeutungsschwanger oder pathetisch sind sie nie. Eich ist ein Meister der Lakonie, sein Ausgangspunkt: das Alltägliche - eine Geste, eine Gewohnheit, ein Blick. Ein Abend am Naschmarkt, ein Krügel Dunkles oder eine Ochsenzunge im Kühlschrank: Damit beginnen die Gedichte, um dann, ganz leise, zum Zustand der Leere und Einsamkeit hinüberzugleiten, Abschiede festzuhalten, "vertane Richtungen" zu beklagen oder die "gefühllose Verzweiflung".

"Grenzen abgehen" heißt es in einem jetzt erstmals veröffentlichten Gedicht aus dem Nachlass, und dieses Abschreiten von Grenzen ist Eichs literarisches Programm. Dabei geht es um topographische Markierungen, wie die deutsch-österreichische Grenze seiner Jugend im Salzburger Land, aber auch imaginäre: um die Grenze zwischen Realität und Traum, zwischen Wirklichkeit und Einbildung, zwischen dem Befremdlichen und dem scheinbar Vertrauten.

Anti-Heimatroman "Das steinerne Meer"

"... er war noch nie einer gewesen, der den Boden der Tatsachen als seine Heimat empfunden hatte", heißt es über den Großvater, eine der beiden Hauptfiguren des Romans "Das steinerne Meer", des umfangreichsten und vielleicht auch wichtigsten Werks von Clemens Eich. Eine Geschichte von Enkel und Großvater, einem Kranken und einem Todkranken, einem Träumenden und einem nicht mehr Hoffenden, angesiedelt in einem ländlichen Milieu, das so gar nichts Idyllisch-Friedliches hat: die Männer "schlagflüssige" Alkoholiker, die Frauen wie "dampfende Knödel", die Berge wie "alte Schränke".

Säufer, Mörder, Selbstmörder sind das Personal dieses Anti-Familien- und Anti-Heimatromans, Wahnsinnige, Einsame und Verstummte: Gefangene einer kalten Welt. "Er war neugierig auf seinen Tod geworden", heißt es über den moribunden Großvater.

"Er erschrak, denn sein Tod war ihm durch den Kopf gegangen wie eine Verabredung", heißt es über den nicht weniger seiner Umgebung und seinem Leben entfremdeten Protagonisten der Erzählung "Zwanzig nach drei", den Stationsvorstand und Geschichtenerzähler Ladinig. "Der Tod ist ganz nah. Vor allem der sinnlose...", schreibt der Ich-Erzähler im autobiografischen "Georgien"-Fragment.

Düster grundierte Literatur

"Dass er große Ängste kannte, daran kann gar kein Zweifel bestehen", so Elisabeth Eich. "Ich denke, das kommt auch durch die große Genauigkeit, Sensibilität und vielleicht auch Begabung, nichts, was in unserem Leben geschieht oder geschehen kann, auszuklammern. Er hatte zwar große Ängste, aber er war niemals feige. Er war ein sehr mutiger Mensch. Er stellte sich Ängsten - und Phantasien."

"Alles spricht für die Annahme, das die Literaturkritik und die Leser in Clemens Eich, hätte er hinreichend Zeit gehabt, einen der wichtigen Autoren deutscher Sprache erblickt hätten", schreibt Ulrich Greiner im Nachwort zu den "Gesammelten Werken". Und die vorliegende Ausgabe bestätigt den Rang des Autors und seiner doch überwiegend düster grundierten Literatur, die souverän ist und stilsicher, in sich geschlossen und im besten Sinne unmodisch. Die eigenständig und originell wirkt - und doch in jener österreichischen Tradition wurzelt, die in der Tragödie das Lächerliche spürt, im Untergang den Übergang, im Morbiden des Unverwüstlich-Vitale. Die, um es mit Clemens Eich zu sagen, im Scheitern die größte Klarheit entdeckt und in der Verzweiflung den Trost.

"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.

Hör-Tipps
Kulturjournal, Freitag, 15. Februar 2008, 16:30 Uhr

Ex libris, Sonntag, 17. Februar 2008, 18:15 Uhr

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Buch-Tipp
Elisabeth Eich und Ulrich Greiner (Hg.), "Clemens Eich. Gesammelte Werke", Verlag S. Fischer