Liebe Frau Suchy,

Brief an mich - Teil 7

Den letzten dieser Briefe konnten Sie zum Frauentag lesen. Jetzt ist Töchtertag. Mädchen zwischen 11 und 16 Jahren haben dabei Gelegenheit ein Wiener Unternehmen zu besuchen, um dort Einblick in die berufliche Praxis zu gewinnen. Nur - wird man sie auch nehmen?

danke für Ihre freundliche Nachricht, die mich doch leicht verwundert.

Sie schreiben, unsere Arbeit sei "ausschließend männlich". Ich habe gedacht, dass unsere Institution besonders ausgewogen besetzt ist, im Gegenteil: thematisch, habe ich den Eindruck, widmen wir uns überwiegend weiblichen Themen.

Es stimmt zwar, dass die Vorstandsebene ausschließlich männlich ist, die Ressortleiter ebenso, die Abteilungsleiter auch; aber das spiegelt ja die Situation der Branche wider.

Wie soll etwa bei Komponierenden Ausgewogenheit herrschen, gibt es denn Komponistinnen?

Wer will schon Frau genannt werden, wer will eine weibliche Berufsbezeichnung tragen: Hebammerich sagt Andre Heller von sich, weil Hebamme will er sich nicht nennen lassen.

Frauen sind eine Zeitbombe - nicht nur im Iran. Alle Bemühungen, die Lunte zu verlängern, und die Zündung zu verlangsamen, werden gefährdet. Die Frauen könnten hochgehen. Das werden wir zu verhindern wissen.

Wir tun, was wir können, für Frauen: Wodka in einer Flasche mit betont weiblicher Form, Frühstücks-Flocken und Orangenjuice in weiblicher Verpackung, Zigaretten und Mobil-Telefone sowieso. Wir umgeben die Wodka Falsche mit einem bräutlichen weißen Unterrock, hochgeweht in der Alkoholfahne - und schon haben wir etwas für unsere Frauen getan - in Russland immerhin.

Wir dulden alles: sogar eine schwangere Verteidigungsministerin, in Spanien glücklicherweise, nicht in Österreich. Aber dass diese Frau Normalität fordert, dass ist zu viel: ist eine zur Hälfte weibliche Armee normal, gar in den Führungspositionen? Apropos normal: dass eine neu geschaffene Professur mit 33.880 Euro gefördert wird, ist das normal? Ist das die Gleichbehandlung, die Sie sich wünschen. Wollen Sie nur deshalb als Professorin berufen werden, weil Sie Ihrer Universität mehr Geld bringen? Das können Sie doch nicht wollen.

Sie wollen doch auch Normalität, oder? Es soll einfach kein Thema mehr sein, ob Frau oder Mann. Wenn jedes Probespiel bei den Philharmonikern eine Pressemeldung wert ist, und jede Verlängerung oder Beendigung des Probejahres noch mehr, wie soll dann Normalität einkehren. Es mag ja sein, dass diesmal eine Frau nicht verlängert wird, aber Sie wissen ja nicht, wie viele Frauen wir ganz gewiss verlängern werden.

Sie tun den Frauen nichts Gutes, wenn Sie dieses Thema immer wieder aufgreifen. Glauben Sie nicht, dass auch die Frauen schon davon genug haben. Wir können es schon nicht mehr hören.

Wir wollen die Welt nicht auf die Frauenfrage reduziert wissen, selbst die einzige Rektorin Österreichs möchte ihre Institution nicht auf den Reiz für weibliche Immatrikulierende reduziert wissen. Wir werden den Frauen ihre Erfolgsgier schon austreiben: der Bachelor ist eine gute Methode der Vertreibung, berufsbildende Schulen bringen nur für Männer was, für Frauen viel weniger.

Wir sind dafür, sogar noch viel stärker, ich ganz persönlich, als Feminist der ersten Stunde, erzogen von starken Frauen, ich ganz besonders; und wir machen es wie alle: wir fordern eine Frauenquote und halten sie selbst nicht ein. Die Universitäten sollen 40 Prozent Frauenanteil unter den Lehrenden erreichen, aber der Nationalrat schafft nur 31 Prozent.

Ihre E-Mail wird aber - das lassen Sie mich Ihnen versichern - Anlass einer empirischen Untersuchung sein, denn wir sind uns des Problems bewusst. Auch deshalb nehmen wir als einzige Institution unserer Branche am Wiener Töchtertag teil.

Mit freundlichen Grüßen

M.M.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
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Hör-Tipp
Intrada, die Wiener Symphoniker beim Wiener Töchtertag, Freitag, 25. April 2008, 10:05 Uhr

Link
Wiener Töchtertag