Veränderung der Welt

Atlas der Globalisierung spezial - Klima

Eine Spezialausgabe der Reihe "Atlas der Globalisierung" von der Monatszeitung "Le Monde diplomatique" beschäftigt sich mit den Veränderungen auf unserem Planeten anhand des Klimawandels. Beunruhigende Befunde und Lösungsansätze werden vorgestellt.

Im Klimaatlas von "Le Monde diplomatique" gibt es eine Weltkarte, die nachhaltig in Erinnerung bleibt und die unsere gewohnte Sichtweise auf den Kopf stellt. Mit den Worten von Al Gores Dokumentation "An inconvenient truth" steht man bei der Lektüre vor einer unbequemen Wahrheit: Man sieht die Welt im Maßstab des ökologischen Fußabdrucks. Der ökologische Fußbadruck, der vom kanadischen Wirtschaftswissenschafter William Rees geprägt wurde, gibt an, welche Fläche ein bestimmter Lebensstandard beanspruchen würde; also, wie viel Fläche an Böden und Gewässern nötig ist, um die Ressourcen für den Lebensstil bereitzustellen und die anfallenden Abfälle und Rückstände aufzunehmen.

Die Weltkarte im Klimaatlas ist aus den Fugen getreten, denn je größer der ökologische Fußabdruck eines Landes, desto aufgeblähter ist es gezeichnet. Und so stehen an der Spitze die USA, Kanada und Teile Europas mit besonderen Deformationen bei Frankreich, Großbritannien und Italien. Die Farbabstufung auf der Weltkarte spiegelt den ökologischen Fußabdruck pro Einwohner wider. Alle westlichen Industriestaaten sind dunkelrot oder hellrot gefärbt, während Afrika, Südamerika und Asien rosa bis hellgelb aufscheinen.

Natur als wirtschaftliches Wegwerfprodukt

Trotz der ökologisch aus dem Gleichgewicht geratenen Welt ist es nach wie vor umstritten, Ausgaben zur Rettung der Erde zu bewilligen, wie die zähen Verhandlungen auf der UN-Klimakonferenz auf Bali im vergangenen Dezember zeigten.

Nach der in den westlichen Leistungsgesellschaften vorherrschenden Wertvorstellung ist die Umwelt außerhalb von uns. In ihrer derzeitigen Form behandeln die Industriegesellschaften die Natur als auszubeutendes Territorium und wirtschaftliches Wegwerfprodukt.

Die Autoren der deutschen Ausgabe des Klimaatlas' plädieren daher für die längst überfällige Aufhebung der Trennung von Welt und Umwelt, also von Politik und Wirtschaft auf der einen Seite und Ökologie auf der anderen Seite.

Ist nicht der Zugang zum Wasser ein Schlüssel des israelisch-palästinensischen Konflikts? Ist nicht der Wettlauf um die seltener werdenden Bodenschätze mit schuld am Völkermord in Dafur? Ist es Zufall, dass Al-Quaida ihre Anhänger in den schlimmsten Elendsvierteln von Asien bis Marokko rekrutiert?

Anschauliche Grafiken und Statistiken

Der Klimaatlas zeigt die Auswirkungen des menschlichen Einflusses auf die Natur anhand von Themen wie Hochseefischerei, Mobilität, Ölförderung, Städtebau und Transportwesen. Auf 100 Seiten sind jedem Kapitel zwei Seiten mit anschaulichen Grafiken und Statistiken gewidmet.

Das Kapitel "Unnötige Transporte auf falschen Wegen" stellt dar, dass drei Viertel der weltweiten Warenströme nach wie vor über das Straßennetz fließen. Zwar produziere der Schienenverkehr deutlich weniger Luftschadstoffe, doch Auto und Straße seien zu billig. Die Transportkosten machen nur ein bis drei Prozent der Produktionskosten aus.

Raus aus den Gewohnheiten

Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern, plädieren die Autoren - nicht wenig überraschend - und meinen die Konsumenten genauso wie diejenigen, die Politik und Wirtschaft gestalten. Dazu ein ganz einfaches Beispiel aus dem Klimaatlas: Am leichtesten lässt sich die Größe des Autos verringern, denn warum fahren durch unsere Städte Autos, die für eine Afrikadurchquerung tauglich wären?

Unter dem Titel "Mitmachen, damit auch die Politik mitspielt" bietet der Klimaatlas im zweiten Teil exemplarische Lösungsansätze an, etwa das Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad für den Nahverkehr und liefert dafür ein stichhaltiges Argument:

Die Geschwindigkeiten von Fahrrad und Auto in der Stadt sind mit durchschnittlich 18 Stundekilometern etwa gleich. Nur, dass Radfahrer sich nicht mit Staus und Parkplatzproblemen herumschlagen müssen.

Radikales Umdenken gefordert

Was sich auf Gemeinde- und Stadtebene für den Klimaschutz tun lässt, zeigt das Kapitel über das europaweite Netzwerk der Energiestädte. Dazu gehört das burgenländische Güssing, das sich seit 17 Jahren um Energieautonomie bemüht und inzwischen seine gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht.

Jeder müsse radikal umdenken und Verantwortung übernehmen, um die Lebensräume nicht komplett zu zerstören. Die Klimaerwärmung wird viele Gegenden unbewohnbar machen, warnen die Autoren. Die Folge: Klimaflüchtlinge. Laut Norman Myers, Umweltaktivist und Professor an der Universität Oxford, wird es bis 2010 weltweit 50, bis 2050 an die 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben. Auf der Klimakonferenz in Bali wurde ein Fonds für Klimafolgen beschlossen. Er umfasst zurzeit aber lediglich 30 Millionen Dollar.

Konsequenter wäre es, Klimaflüchtlingen einen Anspruch auf Hilfe anzuerkennen. Schließlich gibt es die Genfer Konvention von 1951, die den rechtlichen Status von Flüchtlingen international definiert. Sie bräuchte nur um den Begriff des Klimaflüchtlings erweitert werden, dann könnten auch die Vereinten Nationen aktiv werden, um die Flüchtlinsströme zu lenken. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Le Monde Diplomatique, "Atlas der Globalisierung spezial - Klima", aus dem Französischen übersetzt von Andreas Troge, taz Verlag

Link
Le monde diplomatique - Atlas der Globalisierung spezial - Klima

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