Winkler löst zwiegespaltene Kommentare aus

Gemischte Reaktionen auf Büchner-Preisträger

Josef Winkler ist der Büchner-Preisträger 2008. Die Presse-Reaktionen auf den Preisträger aus Österreich sind zwiegespalten bis negativ. "Die Welt" meint, die "Entscheidung ist falsch", die FAZ hätte sich "andere Namen vorstellen können".

Durchaus zwiespältig bis negativ bewertet die deutsche Presse die Kür Josef Winklers zum diesjährigen Büchner-Preisträger. Das Spektrum reicht vom Zweifel, ob Winklers Werk "wirklich zum Besten und Wichtigsten gehört, was unsere Literatur zur Zeit zu bieten hat" in der FAZ über die "Süddeutsche Zeitung", die Winklers Kosmos "bei allen Farb- und Klangeffekten sehr begrenzt" nennt.

Eine "diplomatische Wiedergutmachung für das ausbleibende Wiener Wunder" bei der EURO 2008 sieht gar die Münchner "Abendzeitung", eine "schöne, überzeugende Wahl" attestiert lediglich die "Frankfurter Rundschau".

Zweifel an Wichtigkeit

So meint die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" trocken: "Man hätte sich andere Namen vorstellen können" und nennt etwa Christoph Ransmayr, Hans Joachim Schädlich, Uwe Timm oder Ralf Rothmann. Die deutsche Akademie habe "eine Wahl getroffen, die ähnlich kontrovers diskutiert werden dürfte wie Werk und Person des Vorjahrespreisträgers Martin Mosebach, der vor allem aus ideologischen Gründen attackiert wurde", so die FAZ. Das stünde bei Josef Winkler weit weniger zu befürchten, aber "ob sein schmales, scharf akzentuiertes literarisches Programm, das thematisch und ästhetisch tief in den siebziger Jahren verwurzelt ist, wirklich zum Besten und Wichtigsten gehört, was unsere Literatur zur Zeit zu bieten hat, darf bezweifelt werden".

Den Büchner-Preis 2008 erhalte ein Autor, der "auf die Katastrophen seiner katholischen Dorfkindheit mit Büchern reagiert, deren obsessive Dringlichkeit einzigartig ist": So stehe es in der Begründung der Akademie. "Dieser Satz ist ganz und gar richtig, und nichts wäre an ihm auszusetzen, wenn er nicht das Werk des diesjährigen Büchnerpreisträgers fast schon erschöpfend erfassen und beschreiben würde."

Österreich im reinsten Konzentrat

Auch die "Süddeutsche Zeitung" äußert sich durchaus ambivalent: "Wenn Österreich in diesem Jahr beim Büchner-Preis an der Reihe gewesen sein sollte - turnusmäßig, aber unregelmäßig sollen, so ein ungeschriebenes Gesetz, österreichische und schweizerische Autoren mitsamt den deutschen auf diesen Olymp erhoben werden, dann kam man an Josef Winkler kaum vorbei. Denn dieser Autor ist Österreich im reinsten Konzentrat."

Josef Winkler habe seine Bücher "mehr und mehr als ein selbstreferenzielles System angelegt". Das Monothematische falle bei Winkler "mehr auf als bei anderen Autoren, die ein alles bestimmendes Grundmotiv variieren" - "Ein Fall wie der Inzest-Skandal von Amstetten mag zeigen, dass Winklers Texte so aktuell sind wie die Zustände, die sie beschreiben. Dass er jetzt mit dem höchsten deutschen Literaturpreis ausgezeichnet werden, hinterlässt jedoch auch ein zwiespältiges Gefühl", so die SZ.

"Sein Werk hat in manchem Detail viel Außenwelt und moderne Gegenwart in sich aufgenommen, aber es ist der Enge seiner Ursprünge nicht recht entkommen", heißt es weiter. "Gewiss passt er gerade mit diesem Ursprungsmotiv zum Rebellischen, Außenseiterischen Georg Büchners: Josef Winkler ist der literarische Rebell in der Provinz. Aber längst ist seinen literarischen Mitteln etwas Behagliches, zufrieden in sich Ruhendes zugewachsen, im Schutz kanonisierter Autoren von Ludwig Anzengruber bis Thomas Bernhard. So verdient diese Wahl wie das prämierte Werk Respekt vor seinem Glutkern, aber etwas spürbar Zeitgenössisches kürte man hier eher nicht."

Diplomatische Wiedergutmachung?

Gar mit dem österreichischen Fußball wartet die Münchner "Abendzeitung" auf: "Vielleicht ist das ja die diplomatische Wiedergutmachung für das ausbleibende Wiener Wunder. Am morgen nach dem Ausscheiden der Österreicher bei der EM durfte wenigstens ein Kärntner jubeln: Schriftsteller Josef Winkler."

"Eine schöne, überzeugende Wahl" sieht hingegen die "Frankfurter Rundschau" - "Nachdem mit Martin Mosebach im letzten Jahr ein distinguierter Großstadt- und Bildungsbürger ausgezeichnet worden ist, dessen Bekenntnis zu guten Manieren sich durchaus in seiner Schreibweise niederschlägt, so gehört Josef Winkler, der gestern bekannt gegebene Büchner-Preisträger 2008, zu den Wilden und Dunklen, zu den Aufgeriebenen und Aufbegehrenden unter den deutschsprachigen Literaten der Gegenwart."

Überraschendes Votum

Kryptisch äußerte man sich in der Schweiz. So schreibt die "Neue Zürcher Zeitung": "Man wird von einem überraschenden Votum sprechen können."

"Die Welt" wettert in einem Kommentar mit dem Titel "Die Entscheidung für Josef Winkler ist falsch": "Der 55-Jährige steht für eine rückwärtsgewandte Form von Literatur, die längst überholt ist. Nur den Katholizismus zu verdammen, reicht nicht aus", heißt es da. "Während dem Reinen bekanntlich alles rein ist, erfüllt den Wütenden alles mit Wut. Und Winkler ist ein Wütender. Unter Auferbietung oftmals abgegriffener expressionistischer Pathosformeln wird er nicht müde, das Zerstörerische von Religion anzuprangern, wo immer er es trifft." Die Zeit sei "über die Dämonisierungen des Josef Winkler hinweggegangen".

Mehr zu Josef Winkler in oe1.ORF.at
Josef Winkler erhält den Georg-Büchner-Preis
Die expressive Sprache des Josef Winkler
Roppongi

Links
Süddeutsche Zeitung - Die Katastrophen der katholischen Dorfkindheit
FAZ - Der Kindheitsmusterknabe
Abendzeitung
Frankfurter Rundschau - Das Dunkle glitzert wieder