Das Verhältnis von Museum und Gewalt

Dokument der Kultur

Museen als Auftraggeber für Beutekunst und Nutznießer von Revolutions- und Eroberungskriegen: Was heute nach kriminellen Delikten klingt, war vor etwas mehr als 200 Jahren staatlich organisiert, zum Beispiel wie im Fall des Pariser Louvre.

1793 öffnen sich im Zuge der französischen Revolution die Tore des Louvre erstmals für die Allgemeinheit. Zuvor hatten zu den wertvollen Kunstsammlungen nur ausgewählte Mitglieder des Hofes und hochrangige Kirchenvertreter Zutritt.

Während im Paris des ausgehenden 18. Jahrhunderts tausende Menschen in den Louvre strömen, stürmt Napoleon Bonaparte mit seinen Truppen zunächst durch Italien und später durch Ägypten. Das ihm aufgetragene Ziel ist nicht nur, Herr über reiche Provinzen und große Städte zu werden, sondern auch, berühmte ausländische Kunstwerke zu erobern.

Schon bald platzt der Pariser Louvre aus allen Nähten, sodass in Folge davon die ersten französischen Provinzmuseen entstehen, erzählt die Kulturwissenschaftlerin Sabine Offe: "Der Louvre präsentierte sich sogleich als Flaggschiff nationaler Kultur. Damit wollte man die Identifikation der Bevölkerung mit dem neuen Staat vorantreiben und zugleich die bürgerliche Gesellschaft festigen."

Erwerb mit allen Mitteln

Das Beispiel des Louvre als Auftraggeber für Beutekunst zeigt: Museum und Gewalt, das geht zusammen. Doch den Blicken der Besucher und Besucherinnen bleibt dieser gewalttätige Hintergrund verborgen. Das unterstreicht auch ein Blick in die Ausstellungsräume und Depots von Naturhistorischen Museen und Völkerkundemuseen, die großteils Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sind und deren Anfänge im evolutionistischen Weltbild dieser Zeit begründet liegen.

"Die Naturwissenschaften gingen damals von der Prämisse aus, dass die so genannten Naturvölker in entlegeneren Gebieten Amerikas, Afrikas und Australiens eine Art evolutionär bedingte Vorstufe des zivilisierten Europäers seien", sagt die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Britta Lange. Sie hat bis vor kurzem am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte geforscht und wird ab Juli an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig sein.

Um die eigenen Ursprünge und die eigene Entwicklung zu verstehen, begannen naturwissenschaftliche und völkerkundliche Museen alles zu sammeln, was in Verbindung mit diesen so genannten "Naturvölkern" stand. "Alltags- und Kultgegenstände ebenso, wie deren menschlichen Überreste", so Lange.

Verschwiegene Vergangenheit

Über die Methoden der Beschaffung von Ethnografika wurde in der Kolonialära geschwiegen. Doch heute werden die Hinweise darauf, dass die Sammelmethoden der Händler und Wissenschaftler wenig mit fairem Handel beziehungsweise fairen Tauschgeschäften zu tun hatten, immer lauter, sagt Britta Lange: "In Aufzeichnungen gewisser Händler wird wiederholt von Beute gesprochen und es gibt auch einige - bis heute erhaltene - Expeditionsberichte, aus denen herauszulesen ist, dass die Händler, Sammler und in Folge davon auch die Museen in zahlreichen Fällen nur durch List, Betrug und Waffengewalt an die Objekte gekommen sind."

Welche Folgen die zahlreichen Sammel-Expedition und Invasionen westlicher Wissenschaftler auf die in entlegeneren Gebieten Afrikas, Australiens und Amerikas ansässigen Völker hatten, ist heute schwer zu beurteilen. Ein Grund dafür ist, dass die Betroffenen kaum Zeugnisse und Quellen hinterlassen haben bzw. hinterlassen konnten, die auch heute noch darüber Aufschluss geben könnten. Außerdem verwehren viele Museen den Blick in ihre Akten und Karteikarten - man fürchtet, eventuell Bestände retournieren zu müssen.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 25. Juni 2008, 21:01 Uhr

Buch-Tipps
Karl Josef Pazzini, "Unschuldskomödien. Museum und Psychoanalyse", Verlag Turia + Kant

Britta Lange, "Echt, Unecht, Lebensecht. Menschenbilder im Umlauf", Kadmos Kulturverlag