Außerdem: Nazibär und Schuhleiche

Koks und Schokolade

Ein beabsichtigter Kommentar über die Verbindung von Kultur und Politik ist in Vorwahlzeiten selten. Ein Flatus ist noch kein Kohlekraftwerk. Und eine Innenministerin noch kein Kulturdelikt. Und ein Kolumnen-Vorspann nicht die Offenbarung des Johannes.

Was man über Koksräusche hört, die müssen ganz ähnlich sein wie Wahlkampf. Die Leute haben da die sonderbarsten Ideen. Kokain macht angeblich abhängig. In Österreich macht das Wahlkämpfen abhängig. Deshalb haben wir jetzt alle Jahre eine neue Regierung. Ein klassisches Kulturdelikt. Und soviel zur knüppeldicken Faktenlage. Wie immer, wenn die Politik sich eine Nase genehmigt, fliegt im ganzen Land viel Lyrik auf, heute nicht mehr nur in sogenannten Stammtischgesprächen, sondern, viel geiler, auch in Internetforen. Das stärkste Gedicht zur besten Wahlkampfidee fand ich auf http://www.landwirt.com - es geht so:

irgendwie schade das die kreativität von sinnhaft programmpunkten nur zum wahlkampf gibt, und nicht in der regierungszeit, dass man im nächsten wahlkampf als startschuß sagen kann dass haben wir neu gemacht und so sieht es weiter aus? / jetzige startschuß gestritten, ausgestritten, .... wie ermutigend! - wie wird es wohl weiter gehn?

Ich lese gerne Gedichte, aber Paul Celan hab ich nie so recht verstanden, weil er immer solche verklausulierten - ja, noch nicht einmal ganze Sätze geschrieben hat! Einmal saß ich bei Ilse Kilic im fröhlichen Wohnzimmer, da sagte sie, dass Fritz Widhalm gesagt hatte, dass es Lyrik sei, wenn die Zeilen nicht ganz ausgeschrieben sind. Ich glaube jetzt, dass Wahlkampf ist, wenn das Koks nicht ganz rein ist. Aber das ist natürlich eine auch ein wenig unqualifizierte Äußerung. Frage: Was ist unqualifizierter - mein Satz oder die Wortkreation "Kulturdelikt"? Letzteres ist jedenfalls selbst ein solches, hört man sagen. Aber es geht mich ja nichts an, bin weder zugewandert noch Ministerin, obwohl Wandern gesund sein soll und Ministerinnen viel verdienen. Bäh! Ich versuche mich an einem Stück Schokolade mit 99 Prozent Kakaoanteil. Die schmeckt wie Bärenkacke aus der Zeit der Burenkriege, weiß der Teufel, wann die waren oder ob es gar nur ein einziger war, also schmeckt sie wie der Gehstock eines alten Nazis, aber von denen gibt es nun immer weniger, so dass ich auf meinen Vergleich mit der Bärenkacke zurückkommen muss, es ödet mich an, wie weit noch ist's zur Bahre?

Meine Freundin findet übrigens Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" total supi-hüpfburg-lustig. Aber meine Freundin findet auch "Das fünfte Element" toll, insofern ... Nein, es ist ein Geschmack wie von Leichen, diese "Schokolade", aber von solchen mit Gefrierbrand. Gegen Gefrierbrand gab es in den 80er Jahren bestimmte Gefrierbeutelchen. Die werden heute gerne als Behältnis für gestrecktes Koks verwendet. Davon ist auszugehen. Und da es so phantastisch dicht ist, das Beutelchen, kann man da auch das zu Flüssigpappe erweichte Stück Nazibären-Schuhleiche hineinspucken. Nein! Wie eine Auster! Diese Schokolade schmeckt wie eine Auster, und was ist das nun wieder für ein Kulturdelikt? Delikat, diese Kultur, die so tut, als wäre es ein Ehrenmord am guten Geschmack, Obersalzberg-Staub nicht lecker, Kehlmann nicht super und am Wahlkampfboden eine Spur Koks zu finden. einzig gute ist das der wahlkampf kurz und in der regierungsfreienzeit ist.