Streng aber geliebt

Operndirigent Leo Blech

Vor 50 Jahren starb in Berlin ein Dirigent, wie er in der Opernlandschaft schmerzlich vermisst wird: Leo Blech fühlte sich ganz besonders seinen Sängern und Sängerinnen verpflichtet, die ihn trotz seiner Strenge weit über seinen Tod hinaus verehrten.

Er galt bereits zu Lebzeiten als Legende und Kultfigur: Leo Blech, Berliner Generalmusikdirektor, Dirigent, Komponist, Sängererzieher weiser Ratgeber. Selbst die Nazis hatten Respekt vor diesem körperlich kleinen Mann jüdischer Abstammung, dem letzten Königlich-Preußischen Generalmusikdirektor. Bis 1937 wird er an der Staatsoper geduldet, danach "krankheitshalber" in Pension geschickt.

Als es für ihn gefährlich zu werden droht, helfen ihm einstige Mitstreiter und Kollegen, insbesondere der ebenso undurchsichtige wie "allmächtige" Generalintendant Heinz Tietjen sowie einer seiner Lieblingssänger: Helge Rosvaenge, der Startenor der Berliner Staatsoper, beweist Zivilcourage, stopft Geldscheine in ein Kuvert und schickt es an Blech.

Solidarität vom Ensemble

"Helge, ach Helge" schreibt ihm Blech zurück: "An die Wirkung Ihrer so lieben Sendung (für die ich von Herzen danke!) haben Sie gewiss nicht gedacht, dass ich das Couvert öffnete, Ihre Noten sah und bitterlich weinend vom Tisch aufstehen musste..."

Auch später hat sich Rosvaenge immer mit großer Liebe an Blech erinnert, den er neben Erich Kleiber als seinen musikalischen Ziehvater betrachtete. Und der dänische Tenorstar war nicht der einzige, der mit großer Dankbarkeit auf die Zusammenarbeit mit Blech zurückblickte. Generationen von Sängerinnen und Sänger haben von der Zusammenarbeit mit ihm geschwärmt, auch wenn sie sich nicht selten vor seiner Strenge und Genauigkeit gefürchtet haben.

Strenge und Güte

"Hier schmeißt Herr X..." pflegte er in der jeweiligen Partitur anzumerken - allerdings nicht um einen Künstler zu verunglimpfen, sondern um künftige Kapellmeisterkollegen vor etwaigen Unsicherheiten zu warnen.

Umso rührender aber waren seine lobenden Worte, die er stets auf kleinen Zetteln in der Pause in die Garderoben oder auch am nächsten Tag per Postkarte schickte: "Lieber Wittrisch! Herzlichen Dank - herzlichen Glückwunsch. Eine famose Leistung. Gesanglich prachtvoll und schauspielerisch voll diskreten Humors. Ihr Leo Blech" (1934)

Wunderkind und Kaufmann
Leo Blech stammte aus Aachen, wo er am 21. April 1871 als Sohn eines Pinsel- und Bürstenfabrikanten geboren wurde. Schon als achtjähriges Wunderkind am Klavier erregt er Aufsehen in seiner Geburtsstadt Aachen, absolviert auf Wunsch des Vaters aber zunächst einmal eine kaufmännische Lehre, ehe er als 20-Jähriger in Berlin ein Musikstudium beginnt. Der erhoffte Erfolg bleibt jedoch aus, nach einem Jahr entlässt ihn sein Kompositionslehrer wegen Talentlosigkeit.

Erfolgreicher Opernkomponist
Ein Zufall kommt ihm zu Hilfe und wenig später dirigiert er in Aachen selbst seine erste Oper. Ein Engagement als Zweiter Kapellmeister ist die Folge, und seine zweite Oper legt er bereits dem von ihm verehrten Komponisten Engelbert Humperdinck vor, dessen "Hänsel und Gretel" er gerade einstudieren muss.

Humperdinck akzeptiert ihn als Schüler, es entstehen weitere Werke, die in der Folge durchaus ankommen und zumindest zu seinen Lebzeiten an vielen Häusern gespielt werden einschließlich der Metropolitan Opera in New York.

Empfohlen von Mahler und Strauss
Dennoch ist Blech als Komponist heute längst vergessen, während seine Tätigkeit als einer der führenden Dirigenten seiner Zeit bis heute in Legenden und Anekdoten weiterlebt. Seinen großen Durchbruch als Dirigent hat Leo Blech am deutschen Theater von Prag erlebt, das zu dieser Zeit vom legendären Angelo Neumann geleitet wurde. Kein Geringerer als Gustav Mahler hat ihn empfohlen.

Blech blieb von 1899 bis 1906, leitete in dieser Zeit nicht weniger als 38 Neuinszenierungen, darunter auch die Uraufführung von D'Alberts "Tiefland". 1906 wechselt Blech auf Empfehlung von Richard Strauss nach Berlin, und diese Stadt wird zu seinem Schicksal, für mehr als ein halbes Jahrhundert. Sein Repertoire ist unglaublich vielseitig und enthält alle nur denkbaren Stilrichtungen, angefangen von seiner Lieblingsoper "Carmen", über Mozart, Strauss bis zu den großen Eckpfeilern seiner Laufbahn: Verdi und Wagner.

Kompromisslos
Bald zählt Leo Blech zu den populärsten Musikern der Metropole, dem auch von allen Kollegen mit höchstem Respekt begegnet wird, selbst wenn die Zusammenarbeit mit ihm auf Grund seiner Kompromisslosigkeit nicht immer ganz friktionsfrei verlaufen ist. "Nicht mit mir" waren seine geflügelten Worte, vor allem zu Regisseuren, aber auch bei Besetzungsvorschlägen, die ihm nicht zusagten. Worte, die man vielen unserer heutigen Pultstars ins Stammbuch schreiben müsste, falls ein solches noch existieren sollte.

Emigration und Wiederkehr
Als die Wolken über Deutschland sich schließlich total verdunkelten, ist Leo Blech zunächst nach Riga ausgewichen und hat danach in Stockholm, wo sein Schwiegersohn Herbert Sandberg Kapellmeister war, einen neuen Aufgabenbereich gefunden. Immerhin war er schon seit Mitte der 20er Jahre Mitglied der dortigen Akademie und seit 1935 Hofkapellmeister.

Nach Ende des Krieges aber packt ihn bald das Heimweh, er kehrt zurück nach Berlin, wird nun Generalmusikdirektor der Städtischen Oper und gibt erst auf, als ein Gehörleiden sich immer mehr verschlimmert und er vom Dirigentenpult stürzt. Am 25. August 1958 stirbt Leo Blech, der letzte Königlich-Preußische Generalmusikdirektor.

Hör-Tipp
Apropos Oper Dienstag, 26. August 2008, 15:06 Uhr