Die österreichische Revolution

90 Jahre Republik Österreich

Vor 90 Jahren wurde die Republik Österreich ausgerufen. Während die Erste Republik als dunkle Epoche gilt, wird die Zweite Republik als Erfolgsgeschichte gesehen. Doch ist die österreichische Geschichte im 20. Jahrhundert wirklich so einfach gestrickt?

Die "österreichische Revolution", die Otto Bauer im gleichnamigen Buch (1923) ausführlich analysiert, war eine demokratische und soziale Revolution. Es war eine Revolution von oben. Sie hat eine lange Vorgeschichte, doch im Herbst 1918 überschlugen sich förmlich die Ereignisse.

Die Monarchie befand sich bereits seit 1917 in einer Krise. Im Jänner 1918 konnten Aufstände nur mit Mühe niedergeschlagen werden. Am 16. Oktober 1918 versuchte Kaiser Karl sein Reich zu retten. Er erlaubte die Bildung von Nationalversammlungen. Doch weder die nach Selbständigkeit strebenden Nationalitäten noch die Arbeiterklasse hielten sich an die von Kaiser Karl vorgegebenen Grenzen. Spätestens nach dem Sturz des deutschen Kaisers Wilhelm II. am 9. November war auch hierzulande klar: Österreich wird eine Republik.

Die Republik "Deutschösterreich" wurde am 12. November 1918 vor dem Parlament ausgerufen. Gleichzeitig wurde der Anschluss an Deutschland beschlossen. Turbulente Szenen spielten sich ab. Rote Fahnen wurden gehisst. Es kam zu Auseinandersetzungen. Die Folge: Zwei Tote und 50 Verletzte. Arthur Schnitzler bemerkte, dass "ein weltpolitischer Tag in der Nähe nicht sehr großartig aussieht". Der 12. November war kein Tag ungetrübten Feierns, auch vom Wetter her nicht. Es regnete.

Die Erste Republik - wirklich so dunkel?

Die junge Republik trat 1918 ein schweres Erbe an. Die Monarchie hinterließ einen verlorenen Krieg, wirtschaftliche Schwierigkeiten, ein politisches Vakuum, um nur einige Probleme zu nennen.

Gemeinhin gilt die Erste Republik als dunkle Epoche österreichischer Geschichte, vor allem wegen der politischen Gewalt, die in zwei Diktaturen mündete. Bei näherer Betrachtung begann die Erste Republik auf der politischen Ebene durchaus vielversprechend. Die drei dominierenden politischen Lager, Deutschnationale, Christlichsoziale und Sozialdemokraten kooperierten miteinander. Eine moderne Verfassung, Sozialgesetze und die Erweiterung der Demokratie, Stichwort Frauenwahlrecht, wurden auf den Weg gebracht.

Doch schon ab 1920 war es vorbei mit der trauten Eintracht. Die politischen Lager schotteten sich ab, politische Auseinandersetzungen wurden gewaltsam geführt. Mit 1933 war es vorbei mit der Demokratie in Österreich. Nach der gewaltsamen Ausschaltung des Parlaments folgte 1934 auch das Ende der Republik. Mit der Maiverfassung 1934 wurde der "Bundesstaat Österreich" gegründet. Und damit begannen elf Jahre österreichischer Geschichte ohne Republik, die wirklich dunklen Jahre österreichischer Geschichte.

Die Zweite Republik - wirklich so hell?

Die Zweite Republik gilt als helle Periode österreichischer Geschichte. Sie ist geprägt von einer stabilen Demokratie, steigendem Wohlstand und Frieden in Österreich. Internationale Unterstützung - vor allem durch die USA - trug viel dazu bei.

Das Bekenntnis zur österreichischen Nation setzte sich durch. Die Neutralität spielte eine wichtige identitätsstiftende Rolle, was auch im Nationalfeiertag der Zweiten Republik zum Ausdruck kommt. Österreich nahm eine wichtige Rolle zwischen den Machtblöcken ein. Ab den 1960er Jahren erfuhr Österreich, vor allem in der Ära Kreisky, einen Modernisierungsschub.

Doch zur Zweiten Republik gehören auch ein bis heute erkennbarer Antisemitismus, ein schlampiger bis fahrlässiger Umgang mit der NS-Vergangenheit, Ausländerfeindlichkeit und Antislawismus und die Missachtung des im Staatsvertrag auferlegten Minderheitenschutzes. Das alles sind schwarze Flecken in der Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 12. November 2008, 21:01 Uhr

Buch-Tipps
Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky (Hg.), "Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband zur Ausstellung im Parlament", Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag 2008.

Hannes Leidinger und Verena Moritz, "Die Republik Österreich 1918/2008. Überblick, Zwischenbilanz, Neubewertung", Deuticke Verlag

Gertrude Enderle-Burcel/Hanns Haas/Peter Mähner (Hrsg.), "Der Österreichische Staatsrat, Protokolle des Vollzugsausschusses, des Staatsrates und des Geschäftsführenden Staatsratsdirektoriums 21. Oktober 1918 bis 14. März 1919", Band 1: 21. Oktober bis 14. November 1918, Wien 2008.

Links
Republikausstellung 1918|2008
Die Österreichische Revolution