Nobelpreis für neue Außenhandelstheorie
Handel und Globalisierung
Der Wirtschaftsnobelpreis 2008 geht an den US-Ökonomen Paul Krugman. Er wird für seine Arbeit auf dem Feld der "Neuen Ökonomischen Geografie" geehrt. In Krisenzeiten scheinen Ökonomen gefragt, die in Ungleichgewichten, in inperfekten Märkten denken.
8. April 2017, 21:58
Paul Krugman ist 55 Jahre alt und kein bisschen scheu. Gerne erzählt er, dass er, als ihn der Anruf der schwedischen Akademie erreichte, nackt das Telefon abhob - am Weg in die Dusche. Und dass er den schwedischen Akzent des Anrufers für falsch gehalten hat - also nicht glauben konnte, dass er den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis bekommt.
Dass die Wahl auf Krugman fiel, erstaunt, ist er doch bekannt als gnadenloser Bush-Kritiker, als witziger und angriffslustiger Kolumnist der "New York Times"; kein grauer Professor, den nur die Fachwelt kennt. Paul Krugman ist auch beliebter Gast in Talkshows. Wie etwa bei Bill Maher in dessen Fernsehshow "Real Time". Bill Maher scherzte: "Bitte kann ich Bush für die Wirtschaftskrise verantwortlich machen?" "Ja, Bush ist schuld, aber nicht alleine - auch der ehemalige Notenbankchef Alan Greenspan ist mitverantwortlich." So zynisch, klar und scharfzüngig kann Paul Krugman sein.
Nobelpreis für 20 Jahre alte Arbeiten
Nun läge die Vermutung nahe, dass er für eine Theorie über gerechte Einkommensverteilung, über Umverteilung durch Steuern oder über wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik den Wirtschaftsnobelpreis verliehen bekommt. Weit gefehlt! Die Begründung des schwedischen Komitees führt Arbeiten an, die er vor bald 20 Jahren verfasst hat: für die so genannte neue Außenhandelstheorie, sowie für die Wirtschaftsgeographie.
Der Handel zwischen den USA und China sei fair, erklärt Paul Krugman trocken. "Die schicken uns vergiftetes Spielzeug und wir revanchieren uns mit schlechten Wertpapieren." Die neue Außenhandelstheorie bestreitet, dass alle Annahmen der alten Handelstheorie von David Ricardo aus dem Jahr 1817 halten. Handeln zwei Länder miteinander, so lautete die Annahme von David Ricardo, profitieren beide, erklärt Engelbert Stockhammer von der Wirtschaftsuniversität Wien: "Das klassische Beispiel ist, dass Portugal Wein produziert und Großbritannien Textilien herstellt - damals ein Hightech-Produkt. David Ricardos Theorie besagt, dass eine solche Arbeitsteilung Sinn macht und beide Länder davon profitieren."
Die neue Außenhandelstheorie
Jedes Land soll sich also auf jene Produkte spezialisieren, die es am günstigsten herstellen kann. Diese Arbeitsteilung führe zum größten Vorteil für alle. David Ricardo hat außerdem angenommen, dass der internationale Handel selbst für solche Länder von Vorteil sei, die alle Güter zu niedrigeren Kosten erzeugen können als das Ausland.
Diese Annahme bezieht sich vor allem auf Handelsbeziehungen zwischen hoch und niedrig industrialisierten Ländern. Wenn also jene Länder miteinander Waren austauschen, die große Entwicklungsunterschiede haben, profitieren beide, meinte David Ricardos. Dementsprechend müsste ein Industrie- und Dienstleistungsland wie Österreich der größte Handelspartner eines unterentwickelten afrikanischen Landes wie Simbabwe sein.
"Krugmann sagt, dass das nicht so ist. Österreichs größter Handelspartner ist Deutschland und es ist kein Zufall, dass BMW in die USA und Crysler nach Deutschland verkauft werden. Wir wollen eine relativ große Auswahl an ähnlichen Produkten, also handeln wir mit relativ ebenbürtigen Ländern", so Engelbert Stockhammer.
Die Märkte sind nicht perfekt
Krugmans neue Außenhandelstheorie wirkt auf den ersten Blick globalisierungskritisch. Es wird klar, warum Entwicklungsländer nichts vom Welthandel haben, obwohl die Theorie immer das Öffnen der Handelsgrenzen als todsicheres Rezept für Wohlstand empfohlen hat. Aber Krugman wehre sich dagegen, von den Globalisierungskritikern vereinnahmen zu lassen, meint Engelbert Stockhammer. "Krugman ist ambivalent. Man könnte seine Theorie wesentlich kritischer auslegen, als er es selbst tut."
Bei einer Pressekonferenz an der Princeton University gab sich Paul Krugman eher kritisch. Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskrise und der Verleihung des Nobelpreises sehe, antwortete er: "Ja, ich kritisiere mit meiner Theorie natürlich die Annahme, dass Märkte perfekt sind und keine Eingriffe brauchen."
Mit Paul Krugmann bekommt wieder ein Neokeynesianer den Nobelpreis verliehen - sieben Jahre ist es her, da erhielt ihn Joseph Stiglitz - rechtzeitig zum Platzen der DotCom-Blase. Immer wenn es kriselt, sind die Ideen derjenigen Ökonomen gefragt, die in Ungleichgewichten, in instabilen Systemen, in inperfekten Märkten denken. Der Nobelpreis für Paul Krugman wird in den USA als politisches Signal verstanden - zu Recht.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 10. Dezember 2008, 19:05 Uhr
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