Der verfluchte Müllersmann

Der sorbische Sagenheld Krabat

Die düstere Sage um den verfluchten Müller und seine zwölf Gesellen hat sowohl Otfried Preußler, den Kinderbuchautor, als auch den bedeutendsten Autoren sorbischer Zunge Jurij Brezan zu Neuem angeregt, mit unterschiedlichem Ergebnis.

Die Lausitz, jene waldige und von zahlreichen Gewässern durchzogene Landschaft im östlichen Eck von Deutschland, an der Grenze zu Polen und Tschechien, ist - kulturhistorisch gesehen - durchaus mit den Alpen zu vergleichen: Rückzugsgebiete alle beide. Im Schutz der schwer zugänglichen Landschaft haben Verfolgte eine neue Heimat gefunden. In der Lausitz haben die Slawen überlebt, die seit dem 12. Jahrhundert aus den norddeutschen Siedlungsgebieten vertrieben worden sind. Bis heute sind die Sorben, die manchmal auch noch abfällig "Wenden" genannt werden, die am weitesten westlich lebenden Slawen.

Wo Hexen und Zauberer zu Hause sind

Immer schon galt die Lausitz als jene Gegend, in der Hexen und Zauberer zu Hause waren. Manche von ihnen kamen zu zweifelhaftem Ruhm: als Wahrsager am Dresdner Hof, als skrupellose Giftmischer, ebenfalls für den Dresdner Hof tätig und - auch das fiel zu jenen fernen Zeiten in die Kategorie der anrüchigen Berufe - als kompetente Hebammen.

Kein Wunder, dass die Sage um Krabat, den Buben, der den Teufelsmüller überlistet, in der Lausitz entstanden ist. Ein Kroate, ein "Krowot" soll der historische Krabat gewesen sein: ein Offizier des sächsischen Kurfürsten und späteren polnischen Königs August den Starken, der seinem Feldherrn das Leben rettete und als Lohn dafür ein Gut erhielt: Groß Särchen nahe Hoyerswerda. Er soll seinen Untertanen ein gütiger und mildtätiger Herr gewesen sein.

Seltsame Vorgänge

Aber erst die Sage: Ein Bettelbub namens Krabat wird durch einen Traum zu einer Mühle gerufen, wo er freundlich als Lehrling aufgenommen wird. Im Laufe seiner Ausbildung entdeckt er, dass der Müller unheimliche Geschäfte laufen hat, denn in manchen Nächten kommen seltsame Gefährte zur Mühle. Die Müllergesellen setzen ein besonderes Gewerk in Gang und schuften in Windeseile, damit der seltsame Kunde beim Morgengrauen wieder fahren kann. Und noch etwas Seltsames entdeckt Krabat: Der Müller altert schnell im Laufe des Jahres. Ende Dezember wirkt er wie ein todkranker Greis.

Nach einem schrecklichen Unwetter in der Silvesternacht, in dem einer der Gesellen umkommt, wird Krabat an Stelle des Verunglückten vom seltsamerweise verjüngten Müller zum Gesellen ernannt und ein neuer Lehrling wird aufgenommen. Im Lauf der folgenden Jahre gelingt es Krabat, den Müller zu überlisten und seine Kameraden und die Mühle aus dem Zauberbann zu befreien. Krabat soll als gütiger und weiser beziehungsweise weißer Zauberer lange in der Mühle gelebt haben.

Was lange währt, wird endlich gut

Ein faszinierender Stoff für Otfried Preußler: Er entdeckte ihn als Zwölfjähriger Mitte der 1930er Jahre, "fand" ihn 1958 wieder, begann, eine Krabat-Geschichte zu schreiben.

"Nachdem ich etwa die Hälfte der Geschichte geschrieben hatte", schrieb Preußler 1988, "musste ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass an meinem Konzept offenbar etwas nicht stimmte. Was es war, konnte ich mir zunächst nicht erklären. Ich musste die Arbeit einstellen, hielt den 'Krabat' für gescheitert - und schrieb aus lauter Verzweiflung darüber den 'Räuber Hotzenplotz'."

Erst mehr als zehn Jahre später wagte sich Preußler wieder an die alte Geschichte, nachdem ihm klar geworden war, woran sein erster Versuch scheiterte - und schuf seinen "Krabat", der mit nationalen und internationalen Jugendbuchpreisen überhäuft wurde und jetzt auch fürs Kino verfilmt wurde.

Kinderbuch für Erwachsene

Auch Jurij Brezan, der in sorbischer und in deutscher Sprache schrieb und so viel zum Selbstbewusstsein der Sorben beitrug, war die Sage vom Krabat von Kindesbeinen an vertraut. Und sie beschäftigte ihn ebenso wie Otfried Preußler ein Leben lang.

1968 veröffentlichte er die Geschichte "Die schwarze Mühle", die vordergründig als Jugendbuch die alte Sage erzählt. Liest man sie jedoch genauer, scheint in dieser ersten Version schon Kritik an den Lebensumständen der Menschen durch, Kritik am Umgang der Mächtigen mit ihren Untertanen.

Gesellschaftlich relevante Themen

Weitere drei Mal sollte sich Juri Brezan mit Krabat auseinander setzen. 1976 denkt er in seinem Roman "Krabat oder Die Verwandlung der Welt" als einer der ersten über die Gefahren der Gentechnik nach - was ihm in der DDR-Führungsriege nicht unbedingt Freunde brachte, zumal Brezan bei offiziellen Anlässen immer "mit leerem Revers", also ohne SED-Parteiabzeichen auftrat.

Die Figur des Krabat wurde für ihn zu einem sorbischen Dr. Faustus, einem Weltversucher und Weltbewahrer, sowohl in seinem 1993 veröffentlichten Roman "Krabat oder Die Bewahrung der Welt" als auch in einem seiner letzten Werke "Meister Krabat, der gute sorbische Zauberer”, das nur vordergründig für Kinder geschrieben wurde.

Jurij Brezan starb am 12. März 2006.

Mehr zum Film "Krabat" in oe1.ORF.at

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Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 8. Jänner 2009, 11:40 Uhr

Buch-Tipps
Otfried Preußler, "Krabat", Schulausgabe mit Materialien, Verlag Thienemann

Jurij Brezan, "Krabat oder Die Verwandlung der Welt", Suhrkamp Verlag

Link
Eurasisches Magazin - Artikel zu Jurij Brezan