Aktivierte Killermaschinen
Deine Augen hat der Tod
Für seinen vorigen Roman "Driver" hat James Sallis den Deutschen Krimi-Preis erhalten. Nun liegt sein neuer Roman auf Deutsch vor. "Ein Roman über Spione" lautet der Untertitel und damit ist schon fast alles gesagt: Es geht um Ex-Spione unter sich.
8. April 2017, 21:58
Durchaus zu Recht hat James Sallis, US-amerikanischer Krimiautor und Literaturwissenschaftler - Schwerpunkt: die "hard-boiled"-Autoren James Goodis, Jim Thompson und Chester Himes - im vergangenen Jahr den Deutschen Krimi-Preis erhalten. "Driver" lautete der Titel des preisgekrönten Romans, und diese Geschichte von einem Stuntman und hochbezahlten Fluchtfahrer für diverse kriminelle Coups, der einen erbarmungslosen Rachefeldzug antritt, nachdem er verraten worden ist, war tatsächlich ein herausragender Höhepunkt im knappen und lakonischen "hard-boiled"-Genre gewesen.
Aus der Mode gekommen
Jetzt liegt ein neuer James-Sallis-Roman in deutscher Übersetzung vor: "Deine Augen hat der Tod". Untertitel: "Ein Roman über Spione". Und damit ist auch schon einiges gesagt: Es geht um Ex-Spione, um Ex-Agenten der CIA, ausgebildete Tötungsmaschinen für den "Kalten Krieg" und für Umstürze und Bürgerkriege in Lateinamerika. Diese Prototypen der Gewalt sind inzwischen ein wenig aus der Mode gekommen. Der "Kalte Krieg" ist vorüber und seit Nicaragua und den "Contras" haben die USA in ihrem "Hinterhof" zumindest nicht mehr so offen wie früher die Finger im Spiel.
Sallis' Roman ist im amerikanischen Original 1997 erschienen, also vor 9/11 und dem nachfolgenden "Krieg gegen den Terror", den US-Präsident Bush ausgerufen hat. Das muss erwähnt werden, weil das Buch für seinen gegenwärtigen Leser sonst in einem merkwürdig "geschichts-" und "politikfreien" Raum spielte.
Showdown in New Orleans
Zum Plot: Eine dieser in den Ruhestand versetzten, perfekt dressierten Killermaschinen wird wieder aktiviert. Aufgabe: Einen offenbar außer Kontrolle geratenen Ex-Kollegen, der eine beträchtliche Blutspur durch die USA ziehen soll, ruhigstellen, zu deutsch: kaltmachen.
Von Washington, D.C., führt die Jagd bis zum finalen Showdown nach New Orleans. Quer durch die mittleren USA. Und was der Autor James Sallis in diesem Roman wirklich perfekt vorführt, ist dieses Ambiente, dieses Milieu von Highways, Tankstellen, Raststätten, Motels und Country-Bars irgendwo in einem endlos weiten, armseligen Land, wie man es von Edward Hoppers Gemälden ansatzweise kennt. Schlägereien, Liebschaften und einsame Nächte vor 30 Fernsehkanälen.
Gemischte Gefühle
Was in diesem Zeit- und Sittengemälde allerdings auf der Strecke bleibt ist der engere, kriminalistische Teil der Handlung. Zwar gibt es immer wiederkehrende Verfolgungsjagden, Mord und Totschlag, aber so richtig zusammen passt hier eigentlich nichts. Und das scheint vom Autor durchaus gewollt zu sein, soll den Un- und Wahnsinn einer sich permanent selbst reproduzierenden Geheimdienst- und Verschwörungsmaschinerie aufzeigen.
Das ginge auch noch an. Ein wenig ärgerlich wird James Sallis' neuer Roman allerdings dann, wenn er es mit künstlerischen und literarischen Querverweisen beziehungsweise Anrufungen übertreibt. Nur weil sein Ex-CIA-Held im Ruhestand zum Bildhauer und Maler geworden ist, müssen nicht fortlaufend Pavese, Cezanne, Matisse, Twain, Kerouac, Kraus, ja: Karl, Mandelstam und Apollinaire bemüht werden. Gerade dann nicht, wenn die Sache ohnehin völlig klar ist, dem Autor und dem Helden:
Hier einen streitsüchtigen Diktator entfernt, dort eine kooperative Militärjunta mit Waffen versorgt, ein oder zwei Attentate. Geheimste Informationen weitergeleitet, Regierungsstürze, "taktische Unterstützung". Alles damit diese Menschen ihr Leben mit Budweiser, Strandspaziergängen, Sitcoms, Samstagabendfootball und Sonntagskirche weiterführen konnten.
Ja, that's it. Und als Fazit gemischte Gefühle - es gab schon bessere Krimis von Sallis. Selten aber hat man die USA fernab der Metropolen so dicht und atmosphärisch erlebt wie hier.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Buch-Tipps
James Sallis, "Deine Augen hat der Tod", aus dem Englischen übersetzt von Bernd W. Holzrichter, Verlagsbuchhandlung Liebeskind
James Sallis, "Driver", aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger, Verlag Liebeskind
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