Vampire und verwandte Gestalten im Volksglauben

Blutsaugende Nachtgeschöpfe

Vampire verdanken ihre große Popularität der Aufklärung. Aus dem südosteuropäischen Volksglauben stammend, wurden sie zu Symbolfiguren einer "barbarischen" Welt stilisiert, von der sich das "zivilisierte" Europa abgrenzen konnte.

Der Vampir wie wir ihn heute kennen, ist eine mit verschiedensten Vorstellungen aufgeladene und immer wieder veränderte Figur, die im 19. Jahrhundert erstmals zu literarischen Ehren kam. Deren Wurzeln allerdings liegen tief im Volksglauben Südosteuropas.

Im 18. Jahrhundert wurden auf dem Balkan, in Gegenden Ungarns und Rumäniens - in Gebieten, die seit 1718 zu Österreich gehörten - verschiedene Fälle von Vampirismus bekannt. Die einheimische Bevölkerung machte blutsaugende Untote für mysteriöse Sterbefälle verantwortlich. Verdächtige Gräber wurden geöffnet, und wenn ein Körper auch nach Monaten unter der Erde kaum Verwesungsspuren aufwies, vielmehr "frisch und rosig" wirkte und sich Blut im Mund der Leiche fand, gab es keinen Zweifel mehr darüber, dass man es tatsächlich mit einem Vampir zu tun hatte.

Die Magie des Unerklärlichen

Heute weiß man, dass derartige Phänomene mit Gärgasen während des Verwesungsprozesses zu tun haben und es sich bei dem vermeintlich "frischen Blut" im Mund um Fäulnisflüssigkeit handelte. Damals jedoch waren diese Kenntnisse nicht verbreitet. Auch nicht unter den Ärzten und Gesundheitsbeamten der Habsburgischen Militärverwaltung, die damit beauftragt worden waren, sich die geschilderten "Vampirfälle" genauer anzusehen und Bericht zu erstatten. Zwar hatten diese das Gefühl, es hier mit einem primitiven Volksglauben zu tun zu haben, doch konnten sie die Phänomene weder wegleugnen noch wirklich erklären - ideale Voraussetzungen für Imaginationen aller Art.

Ganz Europa diskutiert über Vampire

Der erste "Vampirfall" in der Habsburgermonarchie wurde 1725 aus Kisolova, einem Dorf an der nordbosnischen Grenze, berichtet; 1732 ein weiterer aus Medvedja in Serbien. Da einer der mit der Protokollierung der Vorfälle beauftragten Beamten, einen Bericht an seinen Vater, einen Journalisten, nach Wien weiterleitete, verbreiteten sich die Nachrichten über Vampire wie ein Lauffeuer in ganz Europa, und bald diskutierten auch Gelehrte über das Phänomen der wiederkehrenden, schädigenden Toten - ohne zu wirklich schlüssigen Antworten zu kommen.

Vampirglaube als politisches Instrument

Für den Wiener Hof war der Glaube an Vampire Synonym des Fremden und Barbarischen, mit dem man sich im 18. Jahrhundert, nach territorialen Zugewinnen in Südosteuropa, erstmals auseinandersetzen musste. Umgekehrt wurde gerade der Vampirglaube zum politischen Propagandainstrument gegen die Habsburger selbst. So wurde das Breittreten des Themas in Frankreich und Preußen unter anderem dazu verwendet, die eigene "kulturelle Überlegenheit" gegenüber der Habsburgermonarchie hervorzustreichen.

Umso bemühter waren die Habsburger - ganz im Sinne der Aufklärung - dem Vampirglauben den Garaus zu machen und ihn - wie es etwa Gerard van Swieten, der Leibarzt Maria Theresias, tat - durch "natürliche" Ursachen zu erklären, auch wenn man dies im Detail noch gar nicht konnte.

Die Flucht der Vampire in die Literatur

Nach einem Abflauen der Begeisterung für die Blutsauger wurde das Motiv zu Beginn des 19. Jahrhunderts plötzlich für die Literatur interessant. Das, was aus Protokollen über Vampirfälle bekannt war, wurde nun literarisch verarbeitet, wobei die südosteuropäischen Wiedergänger eine Reihe von Umgestaltungen und Ausschmückungen erfuhren, die sich von den volkstümlichen Vampirvorstellungen immer mehr entfernten.

Ungebrochene Faszination

Seit Bram Stokers "Dracula"-Roman von 1897 ist die von den gefährlichen Blutsaugern ausgehende Faszination ungebrochen. Worin diese genau besteht, ist schwer zu sagen: Vielleicht ist es gerade diese Mischung aus Angst und Begehren ebenso wie eine gewisse Sehnsucht nach Überwindung des Todes und ewiger Jugend, die hierbei eine besondere Rolle spielen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 24. August 2009, 19:05 Uhr

Buch-Tipps
Hagen Schaub, "Blutspuren: Die Geschichte der Vampire. Auf den Spuren eines Mythos", Leykam-Verlag (2008)

Peter Mario Kreuter, "Der Vampirglaube in Südosteuropa. Studien zur Genese, Bedeutung und Funktion. Rumänien und der Balkanraum", Reihe Romanice 9, Weidler-Buchverlag (2001)