Ein künstlicher Arm, der fühlen kann

Prothesen mit Köpfchen

Die Prothesen von heute haben wenig mit den Holz- oder Lederstümpfen zu tun, die früher Kriegsveteranen trugen. Es sind heutzutage High-Tech-Produkte. Vergangene Woche wurde in Österreich eine Armprothese präsentiert, mit der der Träger sogar fühlen kann.

Die Medizintechnik hat in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Prothetik enorme Fortschritte gemacht. Prothesen sind heutzutage High Tech Produkte, die nicht mehr viel mit den Holz- oder Lederstümpfen zu tun haben, die etwa noch Kriegsveteranen aus dem 2. Weltkrieg trugen.

In Österreich arbeitet ein Team des deutschen Prothetikherstellers Otto Bock seit ein paar Jahren an computergesteuerten Armprothesen, die nicht mehr durch Muskel, sondern durch bloße Gedankenkraft gesteuert werden. Als Weltneuheit präsentierte das Unternehmen vergangene Woche eine Armprothese mit der der Träger fühlen kann.

Gedankengesteuerte Prothese

Es surrt und zischt wie ein Roboter, wenn Christian Kandlbauer seine Arme, pardon seine Prothesen, bewegt. Vor vier Jahren verlor der heute 22-jährige Steirer beide Arme bei einem Starkstromunfall. Seither leistet er Pionierarbeit in Sachen computergesteuerte Prothetik. Denn der junge Steirer ist in Europa der erste, der eine Prothese mit seinen Gedanken bedient.

Rechts trägt er noch eine relativ konventionelle Prothese, die er über die Kontraktion der Muskeln seines Oberarmes steuert. Äußerlich unterscheiden sich die beiden Prothesen gar nicht. Für den ehemaligen Kfz-Mechanikerlehrling liegen aber Welten dazwischen: Die gedankengesteuerte Prothese steuere er, indem er sich die Bewegungen seines früheren Armes vorstelle. Dadurch reagiere der künstliche Arm schneller und könne außerdem mehrere Bewegungen gleichzeitig ausführen, beschreibt Christian Kandlbauer die Vorteile gegenüber der muskelgesteuerten Prothese.

Medizinische und technische Herausforderung

Eine komplizierte Operation war Voraussetzung dafür, dass Christian Kandlbauer die Prothese mit Impulsen aus seinem Gehirn steuern kann. Dabei wurden Nervenstränge aus seinem linken Armstumpf zu seinem Brustmuskel umgeleitet. Elektroden, die im Schaft der Prothese sitzen, nehmen die Signale aus dem Gehirn auf. Eine leistungsfähige Recheneinheit berechnet daraus die gewünschte Bewegung, erklärt der Hubert Egger, Projektleiter bei Otto Bock.

Nach fünf Jahren Entwicklungszeit, in der er den Umgang mit der Prothese ein paar Stunden in der Woche im Labor trainierte, trägt Christian Kandlbauer den fast drei Kilogramm schweren High Tech Arm mittlerweile täglich. Was ihm ein beinahe selbständiges Leben ermöglicht.

Fühlende Armprothese

Vor einem Monat hat Christian Kandlbauer den Führerschein gemacht. Für einen Prothesenträger eine kleine Sensation. Mit einem auf seine Bedürfnisse umgebauten Auto fährt er täglich einige Kilometer von seiner Wohnung an seinen Arbeitsplatz oder ins Labor von Otto Bock nach Wien. Denn dort wird derzeit ein neuer Prototyp entwickelt: eine Prothese, mit der der Träger fühlen kann.

Einen Händedruck, die Oberfläche eines Gegenstandes oder die Temperatur einer Kaffeetasse. Möglich machen das in den Zeigefinger der Prothesenhand eingebaute Sensoren. Sie übernehmen die Aufgabe der natürlichen Rezeptoren der Haut. Anstelle der Nervenfasern, führen elektrische Leitungen die Sinneseindrücke zum Gehirn.

Gerade im Alltag, so Hubert Egger, sei es wichtig, den Druck der Hand auf den Gegenstand zu fühlen. Einen zu heißen Gegenstand würde Christian Kandlbauer übrigens sofort fallen lassen, ergänzt der Projektleiter, selbst wenn er sich theoretisch nicht verbrennen würde. So echt sei die Empfindung für den Prothesenträger.

Christian Kandlbauer freut sich über das wiedergewonnene Fingerspitzengefühl, das er bisher allerdings nur im Labor auskosten konnte. In vier bis fünf Jahren wird er die fühlende Armprothese voraussichtlich auch nach Hause nehmen können.

Hör-Tipp
Digital Leben, Montag, 30. November 2009, 16:55 Uhr

Link
Otto Bock