Oben oder unten?
Status-Spiele
Der Management-Trainer Tom Schmitt und der Autor und Regisseur Michael Esser zeigen, wie auch Sie in jeder Situation die Oberhand behalten. In ihrem Buch beschreiben Sie, wie man Positionskämpfe in Alltag, Beruf und Partnerschaft für sich entscheidet.
8. April 2017, 21:58
Sowenig man nach dem bekannten Postulat von Paul Watzlawick nicht nicht kommunizieren kann, ist es auch nicht möglich, nicht nicht um den Status zu fechten, denn sobald Menschen aufeinander treffen, dient im Grunde nahezu jede Kommunikation auch der Bestimmung von Status-Positionen.
Status ist immer und überall. Jeder hat ihn. Niemand kann ihm ausweichen. Der Status bestimmt, wie wir kommunizieren und ob wir uns durchsetzen oder nicht. Wenn zwei Individuen aufeinander treffen, verhandeln sie ihre Interessen nach Mustern und Regeln, die zu den ältesten und wirkungsvollsten Mechanismen des Soziallebens gehören: die Bestimmung der Person innerhalb eines Gefüges. Der Status einer Person, so das Autorenteam, ist entweder hoch oder tief, also entweder dem Anderen über- oder untergeordnet. Den exakt gleichen Status gibt es nicht. Dieser hohe oder tiefe Status ist allerdings nicht fix, sondern verhandelbar. Die Frage lautet allerdings: Wollen wir lieber respektiert oder lieber geliebt werden?
Je mehr Wert ein Mensch darauf legt, sich Respekt zu verschaffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass er seine Ziele erreicht. Der hohe Status, den er dazu einnehmen muss, kostet ihn allerdings Sympathien: Menschen, die sich häufig durchsetzen, sind meist wenig beliebt.
Den eigenen Status manipulieren
90 Prozent aller Menschen wollen lieber geliebt werden. Sie leben gerne im harmonischen Miteinander. Darüber sollten wir sehr froh sein. Zehn Prozent legen allerdings Wert darauf, eher respektiert als gemocht zu werden. Man findet sie, wenig überraschend, hauptsächlich in Führungspositionen. Doch keine Angst! Das heißt nicht, dass man als friedfertiger Menschenfreund immer den Kürzeren zieht, denn der eigene Status kann manipuliert werden. Anders - mit den Worten der Autoren - ausgedrückt: Man kann zum Regisseur des eigenen Lebens werden. Am besten lässt sich das bewusste Spielen in der "Status-Arena" an Hand eines Beispiels erklären:
Eine Frau begibt sich zielstrebig zu einem freien Tisch in einem Kaffeehaus. Sie besetzt ihn mit ihrer Tasche, während sie zur Garderobe geht, um ihren Mantel aufzuhängen. Als sie zum Tisch zurückkommt, sitzt dort ein Mann, der darauf besteht, dass der Tisch frei war, als er Platz genommen hat. Er macht den Eindruck, nicht nachgeben zu wollen. Wie könnte die Frau nun reagieren? Die erste Frage, die sie sich stellen sollte, lautet: Will ich Recht haben, oder will ich gewinnen?
Der zweite große Aspekt, der unser Statusverhalten maßgeblich beeinflusst, ist unsere individuelle Prägung. Sie basiert auf der Frage: Was fürchten wir mehr, Nähe oder Distanz?
Wenn der Mann stur den erkämpften Tisch verteidigt, macht ihn das zwar unsympathisch, doch mit dem Ergebnis ist er sicherlich zufrieden. Die scheinbar chancenlose Frau hat allerdings mehrere Möglichkeiten, ins Status-Spiel einzusteigen. Sie könnte sich einfach auch an den Tisch setzen, um sich Respekt zu verschaffen. Sie könnte frei nach dem tibetischen Sprichwort "umarme deinen Feind, denn solange du deine Arme um ihn schlingst, kann er seine Waffe nicht ziehen" nach einer Empfehlung fragen oder das gleiche bestellen wie er.
Der wesentliche Punkt dabei: Die Betrachtung des Status-Spiels als Drama, Komödie oder Charakterstück, je nachdem, wie es die Situation erfordert. Dabei sollte man spontane Reaktionen vermeiden, die dem eigentlichen Empörungszustand entsprechen würden.
Nur nicht das Gesicht verlieren
Zur Meisterschaft im Status-Spielen benötigt man natürlich eine gehörige Portion schauspielerisches Talent. Wahre Könner, man denke etwa an den legendären Hauptmann von Köpenick, bewegen sich dabei hart an der Grenze zur Hochstapelei oder sogar darüber hinaus. Doch gemäß der Erkenntnis, dass alle Konfrontationen stets von Dominanz und Unterwerfung handeln, ist für einen notwendigen Wechsel der eigenen Position der Wille zur Veränderung unabdinglich. Das gilt natürlich ganz besonders im Berufsleben.
Im Status-Kampf geht es immer darum, dem anderen eine Brücke zu bauen. Er muss für sich eine Möglichkeit finden, aus der Situation herauszukommen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Die große Kunst besteht darin, den Kuchen so zu verteilen, dass am Ende jeder überzeugt ist, er habe das größte Stück erhalten.
Beim Flirt ist alles anders
Die Champions League des Status-Spiels ist die Liebe. Nirgendwo sonst wechseln wir ohne zu zögern, ohne Angst und ohne Bedenken, oft scheinbar mühelos unseren Status. Der Grund dafür mag die spontane Einsicht sein, der oder dem anderen eine Freude zu machen oder aber sich zu freuen, weil auch der oder die Geliebte sich freut. Vor allem beim Flirt scheint es uns überhaupt nichts auszumachen, was uns sonst so viel Mühe bereitet: der schnelle Wechsel vom hohen auf den tiefen Status - und wieder zurück.
Beim Flirten wird konsequent auf höchstem Niveau gespielt und gleichzeitig die bestehende Status-Ordnung radikal in Frage gestellt. Das verunsichert, denn wenn Status nicht mehr wichtig ist, sondern sich zum reinen Spiel aus Lust und Freude gewandelt hat, gerät die Wirklichkeit ins Wanken.
Bewusster Umgang mit Dominanz
Tom Schmitts und Michael Essers Buch liest sich wie ein kluger Ratgeber. Die neuen Erkenntnisse werden kapitelweise zusammengefasst, tägliches Training zum gewünschten Erfolg empfohlen. Wie man allerdings mit einem gelungenen Status-Spiel der Bedrohung etwa einer Gruppe Skinheads in einer dunklen Seitenstraße entkommen kann, wird nicht erklärt. Das ist neben der an niveaulosen Frauenzeitschriften erinnernden oberflächlichen Einteilung in Charaktere wie "Softie", "Nerd", "Schlampe" oder "Mäuschen" einer der wenigen Schwachpunkte des Buches.
Fazit: Der Status eines Menschen hängt weniger von Autos, Kleidung oder Immobilien ab, sondern vielmehr vom bewussten Umgang mit Dominanz und Unterwerfung. Der Charismatiker hat dabei die Nase vorn: Er ist sympathisch, setzt sich aber trotzdem durch, weil er auch den niedrigen Status geschickt einsetzt. Das wusste schon Jean Cocteau: "Man muss wissen, wie weit man zu weit gehen kann, ohne dabei zu weit zu gehen."
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Tom Schmitt, Michael Esser, "Status-Spiele. Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte", Scherz Verlag