Politologen zum Phänomen "Sommergespräche"
Imagepflege und Kommunikationstaktik
Unter dem Motto "Politik im Zeichen der Krise" stehen wieder die alljährlichen Sommergespräche des ORF-Fernsehens mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Auch in Radio und Printmedien zeigen sich die Politiker äußerst gesprächig. Für Parteistrategen ist die Bedeutung dieser Interviews kaum zu überschätzen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.08.2010
Gute Reichweite
Die heimischen Politikgrößen erreichen in den Sommermonaten in ausführlichen und entspannten Interviews für Printmedien, Radio und Fernsehen einen großen Anteil der Wählerschaft. Der Politologe Peter Filzmaier: "Die Zahl der Zuseher, Zuhörer oder der Leser ist extrem hoch, wenn man es als Marktanteil sieht. Es sind im Sommer mehr Leute auf Urlaub. Aber von jenen, die hier sind, sieht sich jeder vierte Wahlberechtigte die ORF-Sommergespräche an."
Gelegenheit zur Imagepflege
Eine attraktive Möglichkeit also, um auch in den Ferienmonaten in einer stressfreien Atmosphäre politische Botschaften zu übermitteln und das, während des Jahres möglicherweise angeknackste, Image zu pflegen. "Man kann besser die Partei und ihr grundsätzliches Programm darstellen. Aber man kann auch Sympathie-Management betreiben", so Peter Filzmaier.
Lockerheit kommt an
Sommergespräche bringen Politikern vor allem mediale Präsenz, sagt auch der Politologe und Meinungsforscher Peter Hajek. Und sie können zusätzlich punkten, wenn es ihnen da gelingt, sich locker zu geben: "Grundsätzlich kommt es gut an, wenn ein Politiker zeigt, dass er auch ein Mensch wie der Wähler ist. Menschen sind oft an privaten oder persönlichen Dingen der Politiker interessiert. Aber der Politiker sollte nicht vergessen, dass er trotz alledem eine politische Funktion hat."
"Kommunikationstaktisch wichtig"
Den Medien dienen Sommergespräche als Stilmittel, so Hajek: "Man möchte Politiker von einer anderen Seite zeigen." Gerade in diesem Sommer könnten die Sommergespräche aber mehr Relevanz haben, sagt der Politologe Fritz Plasser: "Zum einen sind das die anstehenden Landtagswahlen in Wien und Steiermark. Zum anderen kommt dann der Zeitpunkt, an dem die Bundesregierung mitteilen wird, welche Konsolidierungs-, Einsparungs- und Belastungsmaßnahmen unverzichtbar sein werden. Da sind diese vorgeschalteten Gespräche sehr wichtige kommunikationstaktische Gelegenheiten."
Auftakt mit BZÖ-Chef Bucher
Die ORF-„Sommergespräche“ starten heute Abend unter dem Motto „Politik in Zeiten der Krise“. Die Auftaktgäste bei Ingrid Thurnher sind BZÖ-Obmann Josef Bucher und die Bäckereiunternehmerin Doris Felber.
In den weiteren ORF-„Sommergesprächen“ sind Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Nationalbank-Präsident und Böhler-Uddeholm-Vorstandsvorsitzender Claus Raidl (16. August), FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und DiTech-Gesellschafterin Aleksandra Izdebska (23. August), ÖVP-Obmann Josef Pröll und der Industrielle Hannes Androsch (30. August) sowie SPÖ-Parteivorsitzender Werner Faymann und Magna-Chef Siegfried Wolf (6. September) geladen.
Die Gespräche starten jeweils um 21.05 Uhr in ORF2. Zudem werden die ORF-„Sommergespräche“ auch in TVthek.ORF.at als Livestream und als Video on Demand abrufbar sein.