"Café Sonntag"-Glosse von Leo Lukas

Alternative Eröffnungsrede

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, sehr geehrte Frau Präsidentin, überaus geschätzte Gäste hier im Salzburger Festspielhaus!

Lassen Sie mich Ihnen zuvörderst dazu gratulieren, dass Sie mich als diesjährigen Eröffnungsredner gewählt haben und nicht den sogenannten "Menschenrechtsaktivisten" Jean Ziegler, wie es in einem kurzen Moment der Verwirrung erwogen wurde. Bravo, richtig so, recht so, meine Damen und Herren! Diese heiligen Hallen müssen ein Hort des Schönen, Guten und Baren ... pardon, des Schönen, Guten und Wahren bleiben und dürfen nicht entweiht werden durch ungustiöse Fakten wie, dass eine Milliarde Menschen mit weniger Geld, als hier eine durchschnittliche Eintrittskarte kostet, ein ganzes Jahr lang auskommen müssen. Ich bitte Sie - wem hülfe diese Information? Denen nicht, und uns genauso wenig. Wir sind uns, denke ich, einig: Sowas passt hier nicht her. Wer über Hungerkünstler ein Tränlein vergießen will, geht in "La Bohème".

Selbstverständlich hat die Wiederausladung dieses Ziegler rein gar nichts mit unserem Hauptsponsor, dem Lebensmittelkonzern Nestlé, zu tun. Dass unsere liebreizende Präsidentin eine Woche davor in New York mit dem Präsidenten des Verwaltungsrats von Nestlé soupiert hat, ist erstens nicht wahr, und zweitens wurde dabei über ganz etwas anderes parliert, wie beide Präsidenten praktisch synchron versichern. Herr Brabeck-Letmathe weilt ja heute unter uns, er sitzt direkt vor meinem Rednerpult, und meine Damen und Herren, dieser großartige, herzensgute Wirtschaftskapitän ist ein echter Österreicher, Kärntner sogar!, und dem wird man doch wohl mehr Glauben schenken als einem Schweizer Kommunisten, der mit Schurken wie Chávez, Castro und Gaddafi fraternisiert. - Ja, ich weiß, manche linkslinke Gutmenschen behaupten, bei diesen Vorwürfen handle es sich nachweislich um Verleumdungen, aber wie man bei uns so schön sagt: Irgendwas wird schon dran sein, gell ... und auch dran bleiben.

Gleichwohl, darin werden Sie mir beipflichten, darf auch nicht ein Hauch, nicht ein Schimmer, nicht ein winziger Dreckspritzer des Zweifels das blütenweiße Laken von Vergangenheit und Gegenwart unserer geliebten Salzburger Festspiele beflecken. Denn ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wer hier in diesem herrlichen Großen Festspielhaus, wer von uns stünde denn auch nur ansatzweise im Verdacht der Scheinheiligkeit, der Korruption und rückgratlosen Kumpanei mit Oligarchen aller Art? Wen hier könnte man käuflich, kriecherisch und gewissenlos nennen, wem hier Unredlichkeit, ja feige Heuchelei unterstellen?

Jeee-deeer-maaannn ...