Die schwierige Restaurierung einer Kunstikone
Der kranke Leonardo
Am Donnerstag, 29. März 2012, wird ein bewachter Sondertransport von Rom aus über Italiens Straßen nach Turin rollen. In dem Panzerwagen befindet sich das berühmteste Selbstporträt von Renaissance-Genie Leonardo da Vinci. Die Zeichnung ist schwer krank und wurde in Rom gründlich untersucht. Die Diagnose fiel gar nicht gut aus.
8. April 2017, 21:58
Kultur Journal, 27.03.2012
Für immer verloren?
Es ist klein. Nur 33 mal 22 Zentimeter groß. Leonardo da Vinci malte sich selbst und es wurde sein berühmtestes Selbstporträt. Datiert wird es auf das Jahr 1515. Die unschätzbar wertvolle Zeichnung wird eigentlich in der königlichen Bibliothek in Turin aufbewahrt. Doch das Kunstwerk ist krank, schwer krank, erklärt der Kunsthistoriker Carlo Predetti vom Institut für Leonardoforschungen: "Wenn wir nicht bald etwas tun, wird über kurz oder lang dieses wunderbare Selbstporträt verloren sein. Das ist meine feste Überzeugung".
Höchste Sicherheitsvorkehrungen
Die Zeichnung wurde für eine genaue Untersuchung von Turin in die Hauptstadt gebracht. Vor einigen Wochen und mit einem Spezialtransporter. Das Selbstporträt wurde für diese Reise mit 50 Millionen Euro versichert, Straßen wurden für den Konvoi mit dem Panzerwagen und einer schwer bewaffneten Polizeieskorte frei gehalten, um einen möglichen Diebstahl zu verhindern.
Die Ankunft in Rom konnte mit der eines Staatsgastes verglichen werden. Polizei und Carabinieri überall. Der Transport vom Panzerwagen in den klimatisch kontrollierten Spezialraum, in dem man das Bild untersuchte, wurde komplett gefilmt, um bei einem möglichen Hinfallen der Kiste mit der Zeichnung Verantwortlichkeiten genau nachweisen zu können.
Opfer schlechter Lagerung
Im Restaurierungsinstitut wurde das Bild komplett auf den Kopf gestellt. Das Resultat dieser Untersuchung wurde jetzt bekann - und sie viel nicht positiv aus. Die Diagnose lautet auf, so der englischsprachigen Fachausdruck, foxing. Dazu der Kunstexperte und Leonardofachmann Alessandro Vezzosi: "Auf der Oberfläche sehen wir Flecken, kleine und größere, die immer mehr werden. Das sind altersbedingte Flecken, die keinen Einfluss auf die Integrität des Papiers haben, die nur hässlich aussehen. Hätte man das Kunstwerke besser aufbewahrt, dann gäbe es jetzt nicht so viele Flecken. Das liegt klar auf der Hand".
Das Selbstporträt verschwand kurze Zeit nach Leonardos Tod und tauchte erst im 19. Jahrhundert wieder auf. Wo es sich in der Zwischenzeit befand, weiß niemand genau. In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts kaufte es die Königsfamilie der piemontesischen Savoyen auf. Seitdem gehört es zu den königlichen Sammlungen in Turin.
Ob und wie das foxing bekämpft werden kann, ist unklar. Im Juni werden in Rom internationale Leonardo- und Restaurierungsexperten darüber diskutieren, was zu tun ist. Tatsache ist aber, dass stofffleckige Dokumente so gut wie nicht gereinigt werden können. Sicherlich gibt es gering-invasive Vorgehensweisen mit Hilfe von verdünntem Wasserstoffperoxid oder Lasern - aber jede Methode stellt ein großes Risiko für das Papier und die künstlerische Darstellung dar.